Positionspapier der EVP-Fraktion - So machen wir Europa fit für das 21. Jahrhundert

15.02.2017

Positionspapier der EVP-Fraktion - So machen wir Europa fit für das 21. Jahrhundert

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1. Warum brauchen wir Europa? Wir wollen unsere europäische Lebensweise bewahren

Viele Europäer befürchten, die Kontrolle und ihr Mitspracherecht im Alltag zu verlieren, weil sie mit noch nie da gewesenen Herausforderungen konfrontiert werden. Bei einigen dieser Schwierigkeiten handelt es sich um technologische oder wirtschaftliche Herausforderungen: Digitalisierung, Globalisierung der Wirtschaft, Klimawandel. Andere werden von äußeren Einflüssen verursacht: die Kriege im Nahen Osten, unkontrollierte Migration und Terrorismus, ein aggressives Russland, das Freiheit und Frieden bedroht, sowie die egozentrische Haltung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Und wieder andere sind in der Union selbst weit verbreitet: Strukturelle Arbeitslosigkeit, eine alternde Bevölkerung, der Aufwind für politischen Nationalismus und mangelnder Zusammenhalt.

Einige Herausforderungen muss die Gesellschaft als solche angehen, für andere ist ein koordiniertes Vorgehen zwischen den Mitgliedstaaten notwendig. Angesichts all dieser Herausforderungen ist Europa unsere Lebensversicherung in einer sich dramatisch verändernden Welt. Ohne die EU wären die einzelnen Mitgliedstaaten schwächer und dem Weltgeschehen schutzlos ausgeliefert. Ein wahrer Patriot muss auch überzeugter Europäer sein.

2.Was treibt uns an? Wir stehen für ein vereintes Europa!

Wir glauben an die europäische Idee, weil wir an die Menschen in Europa glauben. Die Zusammenarbeit der vergangenen 70 Jahre hat den europäischen Bürgern Frieden, Freiheit sowie wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand gebracht, wie es sie auf dem Kontinent noch nie zuvor gegeben hat. Wir sind uns der Sorgen der Europäer um ihre Arbeitsplätze, ihr Einkommen und ihre Renten, ihre Identität, die Zukunft ihrer Familien, ihrem Wunsch, gemeinsam etwas zu erreichen und in Sicherheit zu leben, sehr bewusst. Wir glauben jedoch nicht an Angst, wir glauben an Lösungen. Wir stehen für die europäische Lebensweise, die Freiheit bedeutet und nicht Unterdrückung, Demokratie und nicht Diktatur, Zusammenarbeit und nicht Egoismus, Sicherheit und nicht Hass, Hoffnung und nicht Wut. Und genau darin unterscheiden wir uns von den Populisten, sowohl des rechten als auch des linken Lagers.

Wir lassen uns von unserer gemeinsamen Geschichte, jüdisch-christlichen Werten und einer humanistischen Denkweise leiten. Wir treten daher bedingungslos ein für die Würde des Menschen, Demokratie, persönliche Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Als eine Fraktion, zu der Christdemokraten ebenso gehören wie jene, die in der rechten Mitte des politischen Spektrums stehen, setzen wir uns für eine bessere Zukunft für alle Europäer ein. Wir stehen für eine Gesellschaft, die niemanden außen vor lässt, in der Solidarität der Antrieb für sozialen Zusammenhalt und für gemeinsame Ziele ist. Wir vertrauen auf das Potenzial eines jeden Einzelnen, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte. Wir versuchen weder, das Leben der Menschen zu kontrollieren, noch eine Laissez-faire-Haltung walten zu lassen. Vielmehr stehen wir für das Unternehmertum, für Handel, Ausbildung, Forschung, Innovation, Marktwirtschaft und soziale Verantwortung. Dabei setzen wir hohe Qualitätsstandards an. Wir wollen eine stärkere, eine bessere Europäische Union schaffen.

Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und die europäischen demokratischen Grundsätze streng befolgen müssen. Ethisches Verhalten und der Kampf gegen Korruption sind Voraussetzungen dafür, das Vertrauen der Bürger wieder zu gewinnen. Mit unseren Werten setzen wir voraus, dass die eindeutigen Bedingungen, die in den Kopenhagener Kriterien und im Vertrag von Lissabon festgelegt wurden, befolgt werden, und zwar nicht nur, wenn sich ein Land im Beitrittsprozess befindet, sondern auch, wenn es ein vollwertiges Mitglied ist. Die Mitgliedstaaten müssen die festgelegten Bedingungen erfüllen. Das gilt auch für die Integrationsfähigkeit der EU, die Bestandteil der Kopenhagener Kriterien ist. Ausschließlich Länder, die geografisch überwiegend zu Europa gehören, können die EU-Mitgliedschaft erlangen. Die Türkei kann kein Mitgliedstaat der EU werden, da dies sowohl die Europäische Union als auch die Türkei selbst in eine heikle Lage bringen würde. Wir möchten daher, dass die Türkei Teil eines Kreises von Partnerländern der EU wird, die der Union nicht oder noch nicht beitreten können.

Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit der aktiven Unterstützung der Bürger das Europa schaffen können, das wir uns wünschen: Ein vereintes, wettbewerbsfähiges, faires und aktives Europa mit stolzen Nationalstaaten. Das ist der Grund, warum wir uns nachdrücklich für die vier europäischen Freiheiten einsetzen: Den freien Verkehr von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen. Diese Freiheiten sind nicht verhandelbar. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass wir Europa zusammenhalten und eine bessere Zukunft schaffen können. Wir brauchen kein Europa der Mauern und des Hasses. Wir nehmen es nicht hin, dass einzelne Länder sich auf Kosten der anderen die Rosinen herauspicken. Im Gegenteil. Wir brauchen ein vereintes, starkes Europa, das es uns ermöglicht, die Herausforderungen anzunehmen, mit denen wir in den kommenden Jahren in Europa und weltweit konfrontiert sein werden.

3. Was für ein Europa brauchen wir? Wir wollen ein Europa für und von unseren Bürgern!

Die Antwort auf die Brexit-Abstimmung kann nicht „mehr oder weniger Europa“ sein. Die Reaktion sollte vielmehr eine bessere Kooperation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten beinhalten. Die EU und die Nationen, die sie bilden, stehen nicht im Widerspruch zueinander; im Gegenteil, sie gehören zusammen. Die Europäische Union kann nur dann erfolgreich handeln, wenn all ihre Mitgliedstaaten erfolgreich sind und wenn beide Seiten konstruktiv zusammenarbeiten. Auch die Bürger müssen in diese neue, intelligentere Form der Zusammenarbeit mit einbezogen werden. Das Mitspracherecht unserer Bürger zur Zukunft Europas muss gestärkt werden. Die EU muss eine wirkliche Union der Bürger werden.

Wir wollen die parlamentarische Demokratie in der EU, mit dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat als den beiden Kammern, stärken. Die Satzung des Ministerrats sollte entsprechend angepasst werden. Die speziellen Ratskonfigurationen sollten zu Ratsausschüssen werden, die sich öffentlich als ordentlicher Gesetzgeber treffen. Die Europäische Kommission sollte als Exekutivorgan aktiver als Hüterin der Verträge und der korrekten Umsetzung der EU-Vorschriften in Erscheinung treten. Wir wollen, dass das Europäische Parlament als Hüter der Demokratie fungiert. Dafür muss es seine Fähigkeiten stärken, die Kommission dazu zu verpflichten, Gesetzesinitiativen zu ergreifen und diese zu kontrollieren. Die rechtlichen Möglichkeiten der Untersuchungsausschüsse des Europäischen Parlaments müssen da ausgebaut werden, wo die Interessen der Bürger auf dem Spiel stehen. Um die Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zu verbessern, und den Willen der Wähler zu stärken, müssen wir den „Spitzenkandidatenprozess“ als gestärkte ständige Praxis einführen. Wir unterstützen einen einheitlichen institutionellen Rahmen für die EU. Das heißt, dass die parlamentarische Dimension des Euroraums im Europäischen Parlament bleiben muss.

Die EU muss sich auf ihre wichtigsten Aufgaben konzentrieren. Die EU muss lernen, sich zurückzunehmen und nur dann zu handeln, wenn es notwendig ist. Die EU-Bürger wollen kein Europa, das sich in Details verliert, sondern ein Europa, das handelt und etwas bewegt. Darum brauchen wir eine klare Abgrenzung der Kompetenzen der EU auf der einen und der Kompetenzen der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene auf der anderen Seite, um für eine bessere Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu sorgen. Europa sollte in großen Dingen groß und in kleinen Dingen klein sein.

Wer Entscheidungen trifft, muss die Verantwortung dafür tragen. Die Bürger müssen besser erkennen können, welche Institutionen für welche Entscheidungen in der EU-Politik verantwortlich sind. In einem stärker politisierten Prozess müssen ihnen klare politische Alternativen angeboten werden. Die Gemeinschaftsmethode ist der wirksamste und transparenteste Entscheidungsfindungsprozess, bei dem im Rat mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt wird, und das Europäische Parlament seine Rolle als Bürgervertreter in vollem Maße wahrnimmt. Der Binnenmarkt belegt das. Die oftmals festgefahrenen Situationen innerhalb des Ministerrats und des Europäischen Rats, in denen einzelne Mitgliedstaaten grundlegende Entscheidungen verhindern und andere Mitgliedstaaten häufig mit besonderen Forderungen in anderen Bereichen unter Druck setzen, müssen beendet werden. Außerdem muss der Einstimmigkeitsgrundsatz zur Ausnahme werden. Der Rat muss die qualifizierte Mehrheitsabstimmung wie in den Verträgen vorgesehen durchführen. Regierungszusammenarbeit kann bisweilen notwendig sein, um Projekte auf den Weg zu bringen, aber sie muss eine Ausnahme bleiben. Zudem ist eine wirksame Führung auf europäischer Ebene eine Grundvoraussetzung, um schnelle Entscheidungen ohne unnötige Verzögerungen treffen zu können. Die Anzahl der Kommissionsmitglieder sollte reduziert werden, wie es zunächst im Vertrag von Lissabon vorgesehen war, damit das Kollegium der Kommissionsmitglieder zielgerichteter und effizienter an wirklich relevanten Portfolios arbeiten kann.

EU-Beschlüsse sind verbindlich. Was auf europäischer Ebene beschlossen wurde, muss von jedem Mitgliedstaat umgesetzt werden. Die EU muss die Kompetenzen und Kapazitäten haben, um sicherzustellen, dass die Gesetze, die sie verabschiedet hat, umgesetzt werden. Die Durchführungskapazitäten der Europäischen Kommission müssen mit Genehmigung und Kontrolle durch das Europäische Parlament und den Rat verstärkt werden. Das Europäische Parlament muss sich mehr auf die Kontrolle und Umsetzung konzentrieren. Wir sind davon überzeugt, dass die Union und die Mitgliedstaaten, um diese Aufgaben auszuführen, im vollen gegenseitigen Respekt und gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit handeln müssen.

Europa muss intelligent geführt werden, um übermäßige Bürokratie abzubauen. Ziel unserer Politik ist es, bürokratische und regulatorische Hürden deutlich zu reduzieren, insbesondere um KMU von unnötigen Vorschriften zu befreien. Wir sind davon überzeugt, dass die Bürger die europäische Idee nur dann annehmen, wenn die EU eine Überregulierung vermeidet und die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Regionen respektiert. Wir sind deshalb für eine unabhängigere Analyse von Folgenabschätzungen und für die Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität. Wir wollen einen unabhängigen Regulierungskontrollrat schaffen, dessen Aufgabe es ist, die bürokratischen Hürden und die Gesetzgebungskompetenz zu bewerten. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass verbindliche Prüfungen hinsichtlich der Auswirkungen auf KMU und Start-up-Unternehmen unerlässliche Werkzeuge im Gesetzgebungsprozess sind, damit auch kleinere Unternehmen berücksichtigt werden.

4. Welche Prioritäten sollte sich Europa setzen?

Sicherheit in Freiheit und Wohlstand in einer sozialen Marktwirtschaft mit sozialer Dimension waren, sind und bleiben die beiden Eckpfeiler der europäischen Integration. In diesem Sinne haben die europäischen Gründerväter, die vor den größten Herausforderungen ihrer Zeit standen, Europa zu einer Union des Friedens und der Freiheit gemacht, während die folgende Generation die wirtschaftliche und währungspolitische Union ausbaute. Das Europa von heute muss diesen Geist des gemeinsamen Handelns neu beleben, um dem Kontinent Sicherheit, Stabilität und Wohlstand zu geben.

Das europäische Friedensprojekt muss durch eine Sicherheitsunion vervollständigt werden.

Heute werden Frieden und Freiheit in Europa nicht durch Kriege zwischen den Mitgliedstaaten bedroht. Die heutigen Bedrohungen gehen eher von regionalen Konflikten, hybrider Kriegsführung, asymmetrischen Konflikten und vom internationalen Terrorismus aus. Europa muss in einer zunehmend unsicher werdenden Welt ein Anker der Stabilität werden. Die EU muss sich daher weiter zu einer Sicherheitsunion entwickeln.

Wir wollen eine ehrgeizige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Damit die EU auf internationaler Ebene ihr Mitspracherecht wahrnehmen kann, muss sie mit einer Stimme sprechen. Deshalb ist eine bessere Koordination zwischen der EU und den Vertretern der Mitgliedstaaten in allen internationalen Organisationen erforderlich. Wo möglich und angebracht, sollte auch eine gemeinsame Vertretung in Erwägung gezogen werden. Es ist unerlässlich für die EU, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken, um den Terrorismus zu bekämpfen, ihren Nachbarn Frieden, Stabilität und Ordnung zu bringen und Autokratien Grenzen zu setzen. Auch die Einrichtung eines europäischen Grenzschutzes und einer Küstenwache sowie einer europäischen Katastrophenschutzstelle impliziert den Aufbau von Militärkapazitäten. Die EVP-Fraktion tritt dafür ein, eine europäische Verteidigungsunion aufzubauen, in der die EU ihre eigene Verteidigung sicherstellt und für Sicherheit sorgt. Wir streben eine wirkliche europäische Verteidigungspolitik an, die die Einrichtung von ständigen EU-Hauptquartieren, strukturierte Kooperation und Informationsaustausch, sowie eine EU-Gefechtsgruppe, die jederzeit einsatzbereit ist, beinhaltet. Wir fordern, dass das volle Potenzial der Bestimmungen des Vertrags von Lissabon zur gemeinsamen Sicherheit ausgeschöpft wird. Die europäische Verteidigungsunion muss unsere Außenmaßnahmen und -einsätze verstärken, sei es im Rahmen der VN, der NATO oder durch Koalitionen von Entschlossenen. Eine sehr enge Zusammenarbeit mit den USA ist für die Sicherheit in ganz Europa unerlässlich. Wir müssen diese Sicherheitsunion schnellstmöglich aufbauen und Mitgliedstaaten, die vom internationalen Terrorismus besonders bedroht sind, ermöglichen, gemeinsam zu agieren. Wir sind also bereit, im Rahmen der Verträge ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten in diesem Bereich zu akzeptieren. Unser langfristiges Ziel sind europäische Streitkräfte.

Wir glauben fest daran, dass es die Pflicht der EU ist, Terrorismus zu bekämpfen.

Die Antwort Europas auf die jüngstem Terroranschläge in Frankreich, Belgien, Deutschland und anderswo ist deutlich: Europa muss zusammenhalten. Die Terroristen werden ihr Ziel, ein vor Angst gelähmtes Europa zu sehen, nicht erreichen. Die EVP-Fraktion ist und bleibt die politische Kraft, die für die Sicherheit in Europa einsteht. Für uns steht die Sicherheit Europas an erster Stelle: Wir brauchen eine bessere und stärkere europäische Zusammenarbeit und Integration hinsichtlich des Austauschs von Informationen zwischen den Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden, und den Austausch von besten Praktiken von präventiven und repressiven Maßnahmen gegen Radikalisierung und Terrorismus. Es ist sehr wichtig für uns, Terrorismusopfern besondere Aufmerksamkeit zu widmen, ihnen die entsprechenden Rechte, angemessene Unterstützung und Schutz zu bieten, und dass ihre Würde und ihr Andenken mehr denn je durch Gerechtigkeit gewahrt werden. Alle einschlägigen europäischen Datenbanken müssen kompatibel und den zuständigen europäischen Behörden und nationalen Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden, damit der beste Schutz für die EU-Bürger und die EU-Grenzen sichergestellt werden kann. Gleichzeitig müssen wir zum Schutz der Bürger in intelligentere Sicherheitstechnologie investieren, z. B. in die Entwicklung von Gesichtserkennung und in die Verbesserung von Profilanalysesystemen. Darüber hinaus braucht Europa einen geeigneten Rechtsrahmen, um die verschiedenen terroristischen Bedrohungen zu bewältigen. Europa ist unser Garant für Sicherheit und Freiheit. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit muss im Kampf gegen den Terrorismus immer respektiert werden.

Wir müssen unsere Anstrengungen bündeln, um unsere Grenzen besser zu kontrollieren.

Der Strom der in Europa eintreffenden Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten hat unsere Kapazitäten auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene herausgefordert. Wir haben einen gemeinsamen europäischen Ansatz zum Schutz unserer Außengrenzen immer unterstützt. Der neu geschaffene europäische Grenzschutz und die neuen Küstenwachen müssen voll funktionsfähig und ausreichend ausgerüstet werden. Doch wir müssen auch die Zahl der Migranten, die in die Europäische Union kommen, kontrollieren und regulieren. Nach dem letzten Krisenjahr müssen wir einen flexiblen und nachhaltigen „Fairness-Mechanismus“ entwickeln, der eine ausgewogenere Verteilung der Verantwortung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht. Die EU sollte primär Flüchtlingen in Krisenländern und deren Nachbarregionen Schutz und Unterstützung gewähren. Es ist die Aufgabe der Europäischen Union zu entscheiden, wer in Europa Schutz gewährt bekommt. Das Schengen-System muss erhalten und weiter ausgebaut werden. Die EU muss ihre gemeinsame Asylpolitik überarbeiten, um die Flüchtlinge und Verfolgten wirksam schützen zu können, die im Einklang mit unseren christlichen und humanistischen Werten schutzbedürftig sind, und jene, die es nicht sind, schnellstmöglich auszuweisen. Darüber hinaus müssen wir die Ursachen der Migration konsequenter angehen und dabei helfen, in den südlichen Nachbarländern der EU Frieden zu stiften, die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu fördern und Pläne zu entwickeln, wie die Instabilität in diesen Regionen reduzieren werden kann.

Die Wirtschafts- und Währungsunion muss durch eine Innovationsunion ergänzt werden.

Wir brauchen eine fairere soziale Marktwirtschaft, die Arbeitsplätze, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit schafft. In einer zunehmend vernetzten Wirtschaftswelt, die immer mehr auf Innovation angewiesen ist, werden wir dieses Ziel auf lange Sicht nicht erreichen, wenn wir Schulden anhäufen und auf Abgrenzung setzen. Durch die Digitalisierung und Globalisierung würde vieles von dem, was uns in Europa am Herzen liegt, früher oder später einfach untergehen. Die besten Anreize für Wachstum sind günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Deshalb treten wir für Strukturreformen und gezielte Investitionen, eine faire Steuerpolitik und faire Handelsabkommen ein. Deshalb wollen wir auch im Bereich Innovation wieder führend sein und setzen uns für die Vollendung des Binnenmarktes ein. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass der EU-Haushalt ein System echter eigener Ressourcen benötigt, wie es im Monti-Bericht über die Finanzierung der EU in der Zukunft empfohlen wurde.

Wir glauben an solide Finanzen, Vollbeschäftigung und Wohlstand.

Nur mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft können wir den Wohlstand von Morgen erarbeiten. Grund für die Jugendarbeitslosigkeit in weiten Teilen Europas ist nicht der Stabilitätspakt von heute, sondern die Misswirtschaft der Vergangenheit. Wir stehen für Steuerstabilität und Wettbewerbsfähigkeit, die auf Strukturreformen ausbauen. Solide Finanzen, Vollbeschäftigung und Wohlstand sind kein Widerspruch, sondern können auf lange Sicht nur gemeinsam erreicht werden. Ebenso können in einer sozialen Marktwirtschaft Steuerparadiese und Steuerbetrug nicht geduldet werden. Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union und über ihre Grenzen hinaus faire Steuervorschriften. Der Euro ist die Währung der gesamten Europäischen Union. Nur mit einem stabilen Euro werden die Bürger wieder Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung fassen. Darüber hinaus wollen wir die Wirtschafts- und Währungsunion vervollständigen, indem wir die wirtschaftliche Führung in der Europäischen Union und insbesondere im Euroraum stärken. Wir sollten die Einführung nationaler Schuldengrenzen, sowie die Schaffung eines Rahmenwerks für ein ordentliches Verfahren für Staatsinsolvenzen in Erwägung ziehen. Eine solide Währung braucht eine einheitliche Struktur innerhalb der EU und einen wirksamen Mechanismus für ihre eigene Stabilität. Deshalb setzen wir uns für den Stabilitätspakt ein, der von einem ehrgeizigen Investitionspakt begleitet wird, um auf lange Sicht in ganz Europa Vollbeschäftigung zu erreichen. Der Juncker-Plan für strategische Investitionen kann in Synergie mit den Kohäsionsfonds und der Gemeinsamen Agrarpolitik nur ein Anfang sein. Wir müssen weitere ähnliche Projekte unterstützen. Wir brauchen mehr Investitionen, die nicht mit Schulden, sondern mit Ideen angetrieben werden. Europa braucht keine ungezielten Konjunkturprogramme, sondern langfristige Investitionsanreize und geeignete Kapitalmarktbedingungen.

Die soziale Dimension im Zentrum unserer sozialen Marktwirtschaft.

Obwohl Europa die Wirtschafts- und Finanzkrise überstanden hat, kämpfen noch zu viele Bürger mit der Arbeitslosigkeit. Wir sind deshalb davon überzeugt, dass es Teil unseres Wirtschaftsmodells und Herzstück der Grundsätze von Solidarität, Würde und sozialer Gerechtigkeit der EVP-Fraktion sein muss, eine starke europäische Sozialagenda aufzustellen, um die Ursachen der sozialen und territorialen Ungleichheiten in Europa zu bekämpfen.

Wir glauben an den freien Handel als Motor für Wohlstand und Beschäftigung.

Die besten Anreize für Investitionen sind günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wir treten für faire Freihandelsabkommen ein, damit unsere Bürger von der Globalisierung profitieren können. Beim freien Handel geht es nicht nur um die Abschaffung von Zöllen, sondern darum, Sozialstandards, Verbraucherschutz und die soziale Marktwirtschaft zu fördern. Nur mit einem fairen freien Handel werden wir unsere Sozial-, Umwelt- und Technologiestandards weltweit aufrecht erhalten, und gleichzeitig die Lebensbedingungen in unseren Partnerländern verbessern können, z. B. indem wir Kinderarbeit bekämpfen. Freihandel von Anfang an kategorisch abzulehnen ist wirtschaftlich unvernünftig und zutiefst unsozial. Europa und seine Mitgliedstaaten sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, wie sie neue Arbeitsplätze schaffen und unsere Unternehmen vor dem Ausverkauf schützen können. In beiden Punkten ist der Freihandel unvermeidlich. Die Europäische Union und ihre Institutionen haben, gemäß den Verträgen, die ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik der Union. Die Mitgliedstaaten haben mit ihren demokratisch gewählten Regierungen im Rat volles Mitspracherecht. Sie sollten der kurzsichtigen Versuchung widerstehen, aus rein politischen Gründen neue Vetospieler ins Spiel zu bringen, was den Abschluss neuer Handelsabkommen praktisch unmöglich machen würde.

Wir wollen Innovation fördern.

In den letzten 500 Jahren war Europa die Drehscheibe der Kreativität in der Welt. Bedeutende globale Innovationen kamen aus Europa. Mit Google und Facebook von heute hat sich das Bild jedoch gewandelt. Europa muss wieder ehrgeiziger werden. Wir brauchen neue, ehrgeizige Projekte, so wie Airbus im Anfangsstadium seiner Entwicklung. So kann Europa wieder als Ideenschmiede für ein besseres Leben anstatt als Regulierungsbehörde wahrgenommen werden. Wir wollen Innovation fördern und Europas Wirtschaftskraft in Innovationskraft umsetzen. Europa muss seine führende Position in der bio-basierten und Kreislaufwirtschaft behaupten und seine technologische und digitale führende Position wieder einnehmen, indem es einen gemeinsamen Raum für Forschung, Innovation und offene Wissenschaft errichtet und wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Innovationen für die reale Wirtschaft umsetzt und die Industrie digitalisiert.

Die digitale Befähigung von Bürgern und Unternehmen muss eine Priorität in Europa sein und ungerechtfertigte Hemmnisse für den grenzübergreifenden elektronischen Handel und den Zugang zu Kultur müssen abgebaut werden. Greifbare und schnelle Ergebnisse sind auch von neuen Geschäftsmodellen und mehr Auswahl für Verbraucher in einem voll funktionsfähigen und integrierten Binnenmarkt abhängig. Die Regeln des Binnenmarktes müssen in die digitale Welt übersetzt werden.

Mit dem digitalen Binnenmarkt und seinen 510 Millionen Verbrauchern können wir unser volles Potenzial erreichen, Europa zum Vorreiter machen und seine globale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die EVP-Fraktion vertritt die Ansicht, dass es zu den europäischen Prioritäten gehören müsste, die Konnektivität und folglich die Entwicklung der Infrastruktur zu fördern, Industrie 4.0 anzukurbeln, Hemmnisse für den Online-Handel abzubauen und die digitale Befähigung von Bürgern und Unternehmen, insbesondere im Fall von KMU und Start-up-Unternehmen, zu fördern. Dafür muss die EU ein günstiges Investitionsklima schaffen, die Koordinierung der Frequenzverwaltung verbessern, digitale Kenntnisse und Kompetenzen fördern und zwischen allen Partnern der Datenwelt Vertrauen aufbauen, um eine wettbewerbsfähige datengestützte Wirtschaft zu schaffen. Die EU muss einen Rechtsrahmen für eine solche neue Wirtschaft schaffen, damit eine weitere Fragmentierung zwischen den Mitgliedstaaten vermieden wird. Die Verwirklichung des digitalen Binnenmarktes und der Energieunion sind entscheidend, um diese Ziele zu erreichen.

Darüber hinaus wollen wir konkrete Projekte wie Stimmerkennung, Roboter und künstliche Intelligenz, Supercomputer, 5G-Mobilnetze und intelligente Städte und Dörfer initiieren, damit Europa sein Innovationspotenzial voll entfalten kann. Europa sollte seine Innovationskraft mit Kreativität verbinden. Im digitalen Zeitalter können hoch entwickelte Technologien allein nichts ausrichten. Entscheidend in einem immer wettbewerbsfähigeren IT-Sektor ist die Fähigkeit der Unternehmen, Technologie zum Lebensstil zu machen. Europa kann ein auf der Welt einzigartiger Standort für Innovation und Kreativität werden.

Gleichzeitig muss Europa die großen Forschungsfragen unserer Zeit, wie die Bekämpfung von Krebs oder technische Lösungen gegen den Klimawandel, besser in Angriff nehmen und Leitprojekte entwickeln. Der EU-Haushalt muss zielgerichteter eingesetzt und entsprechend umstrukturiert werden. Europa muss besser in seine Zukunft investieren und weniger Ressourcen für alte Strukturen verwenden. Europa muss mehr Lösungen für die dringenden Probleme der Menschheit anbieten.

Wir sind überzeugt davon, dass Europa eine führende Rolle einnehmen muss, wenn es darum geht, ein neues Wachstumsmodell zu entwickeln, welches auf einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft basiert, damit unsere natürlichen Ressourcen geschützt werden können. Die meisten unserer Umweltprobleme können nur auf europäischer Ebene angegangen werden, da Schadstoffe keine Grenzen kennen. Wir vertreten deshalb einen marktorientierten Ansatz, mit dem die europäische Umweltpolitik der Industrie helfen soll, Neuerungen einzuführen, den Anliegen der Verbraucher Rechnung zu tragen und dabei wettbewerbsfähig zu bleiben.

5. Wir wollen ein Europa der Jugend fördern und unseren Gesellschaften und europäischen Familien eine erfolgreiche Zukunft sichern.

Europa muss zu einer treibenden Kraft für Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Generationen werden. Wir kämpfen in allen Politikbereichen für eine bessere Zukunft der Familien. Eine nachhaltige und faire sozialwirtschaftliche Politik ist der Grundpfeiler eines besseren Lebens für alle Familien. Darüber streben wir einen fruchtbaren Ideenaustausch zwischen den verschiedenen europäischen Regionen darüber an, wie sie sich den demografischen Herausforderungen stellen wollen. Mit der fortschreitenden Entwicklung der wirtschaftlichen, steuerlichen und politischen Integration muss auch unser EU-Haushalt angepasst werden. Seine Eckpfeiler - Investition in Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung für jungen Menschen und mehr Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten - müssen dabei jedoch beibehalten werden.

Gleichzeitig müssen wir die Schaffung einer europäischen Identität für kommende Generationen unterstützen. So viele jungen Menschen wie möglich sollten „Europa“ selbst erfahren dürfen. Wir wollen frische und aussagekräftige interaktive Projekte einführen, die junge Menschen für Europa begeistern sollen, wie zum Beispiel durch Interrail-Tickets zu ihrem 18. Geburtstag. Dadurch sollen junge Europäer nicht nur die Schönheit und Vielfalt des Kontinents entdecken. Ziel ist es auch, eine Reihe neuer Möglichkeiten für die europäischen Regionen und Städte zu schaffen, ihre Projekte an das europäische Konzept zu koppeln. Darüber hinaus wollen wir das Erasmus-Programm sowohl im Bereich der Hochschulbildung als auch im Rahmen der Berufsausbildung fördern. Wir wollen den Grundsatz aufstellen, dass es allen jungen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund offen steht, am Erasmus-Programm teilzunehmen. Wir wollen junge Unternehmer fördern, indem wir sie ermutigen, für ihre Start-up-Unternehmen und innovative KMU EU-Mittel zu beantragen.

Die Europäer werden nur in der Lage sein, gemeinsam zu handeln, wenn sie sich untereinander verstehen. Wir wollen daher, dass ein Teil des EU-Haushalts dafür eingesetzt wird, in allen Mitgliedstaaten die für den Erfolg im 21. Jahrhundert erforderlichen Fähigkeiten zu fördern. Jedes Kind muss unter der Verantwortung der Mitgliedstaaten Zugang zu guter Bildung bekommen und die Möglichkeit haben, gründlicher als es heute möglich ist, Fremdsprachenkenntnisse, digitale Kompetenzen, Kreativität, analytische und kritische Fähigkeiten zu entwickeln. Das höchste Gut Europas sind seine Menschen. Indem wir unsere Fähigkeiten in vollem Maße entwickeln, bieten wir den jungen Europäern die beste Grundlage für eine sichere und erfolgreiche Zukunft.

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Die Europäische Union steht am Wendepunkt und es ist heute unsere gemeinsame Herausforderung und individuelle Verantwortung, auf jeden einzelnen unserer Bürger zuzugehen und mit ihnen in Kontakt zu treten, um den Europäern Selbstvertrauen zu geben, und sie wieder stolz auf dieses einzigartige Projekt zu machen, das sie in den vergangenen Jahrzehnten für den Frieden und den Wohlstand ihrer Kinder geschaffen haben.