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15.03.2021
Positionspapier der EVP-Fraktion zu Kinderrechten
I. Einleitung
Die Union „schützt und fördert [...] ihre Werte und Interessen und trägt zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger bei. Sie leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes [...].“
Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union
Kinderrechte sind Menschenrechte, Rechte, die die EU und ihre Mitgliedstaaten achten, schützen und durchsetzen müssen. Es sind 30 Jahre vergangen, seitdem das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (im Folgenden „das Übereinkommen“) 1989 in New York unterzeichnet wurde und 1990 in Kraft trat. Obwohl das Übereinkommen von 194 Staaten – darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union – ratifiziert wurde, wurden viele seiner Ziele immer noch nicht erfüllt. Die EVP-Fraktion hält an dem in dem genannten Übereinkommen ausdrücklich festgelegten Grundsatz fest, „dass das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit in einer Familie und umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufwachsen sollte“.
Kinderrechte werden in vielen Teilen der Welt weiterhin verletzt oder missachtet, auch in EU-Mitgliedstaaten. Kinder werden noch immer Opfer von Gewalt, Misshandlungen, Armut und sozialer Ausgrenzung. Kinder werden nach wie vor aus Gründen der Religion, einer Behinderung, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Ausrichtung, ihrer ethnischen Herkunft, der grenzüberschreitenden Trennung oder ihrer Rechtsstellung und ihres sozialen Status diskriminiert. Die EVP-Fraktion ist stolz darauf, eine Verfechterin und Hüterin der Kinderrechte zu sein, und bemüht sich daher unablässig darum, den Schutz und die Beteiligung von Kindern zu verbessern. Auf der Grundlage eines gemeinsamen Entschließungsantrags, der 2014 auf eine von der EVP geleitete Initiative hin eingereicht wurde, forderte das Europäische Parlament die Europäische Kommission auf, eine Kinderrechtsstrategie einschließlich eines konkreten Aktionsplans vorzulegen. Nun ist endlich die Zeit dafür gekommen.
Die künftige EU-Kinderrechtsstrategie wird den Rahmen für EU-Maßnahmen zur stärkeren Förderung und zum besseren Schutz der Rechte des Kindes bilden. Sie wird eine Reihe von durch die EU umzusetzenden Maßnahmen umfassen, die unter anderem Folgendes betreffen: die Rechte der schutzbedürftigsten Kinder, die Rechte des Kindes im digitalen Zeitalter, die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt und die Förderung einer kinderfreundlichen Justiz. Die Strategie wird zudem Empfehlungen für Maßnahmen anderer EU-Institutionen, der EU-Mitgliedstaaten und von Interessenträgern umfassen. Die EVP-Fraktion begrüßt die künftige EU-Kinderrechtsstrategie, hebt jedoch hervor, dass die nachstehend aufgeführten Politikbereiche wichtig sind und innovative Instrumente benötigt werden, um Kinder und ihre Rechte zu schützen, indem nicht nur in ihrem Namen, sondern auch gemeinsam mit ihnen gehandelt wird. Darüber hinaus fordert die EVP-Fraktion alle Mitgliedstaaten auf, eine öffentliche Stelle eigens damit zu beauftragen, die Auswirkungen der nationalen und regionalen Rechtsvorschriften auf Kinder zu messen, und die Rechte des Kindes im Rahmen der Regierungspolitik allgemein zu fördern.
II. Schutz der Kinderrechte durch EU-Rechtsvorschriften – Schutz des Kindeswohls
1. Kinderfreundliche EU-Rechtsvorschriften
Bevor die Kommission eine neue Initiative oder die Überprüfung der bestehenden Initiativen vorschlägt, bewertet sie den Bedarf an Maßnahmen der EU und die potenziellen Auswirkungen alternativer politischer Optionen auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt unter Verwendung von Instrumenten zur Folgenabschätzung.
Die EVP-Fraktion ist der Ansicht, dass ein „Kinderrechte-Test“ – genau wie der sogenannte KMU-Test – für die EU-Rechtsvorschriften äußerst vorteilhaft wäre. Ein derartiger Test könnte im Rahmen der Folgenabschätzungen als Hilfsmittel zur Optimierung und Stärkung von Maßnahmen zur Förderung der Rechte des Kindes herangezogen werden. Genau wie der KMU-Test, der entwickelt wurde, um „die Auswirkungen geplanter Rechtsvorschriften und Verwaltungsmaßnahmen [auf KMU] genauestens zu bewerten [...] und relevante Ergebnisse bei der Erarbeitung von Vorschlägen zu berücksichtigen“, könnte der Kinderrechte-Test mehrere Schritte umfassen, nämlich:
Da sich sämtliche EU-Rechtsvorschriften direkt und indirekt auf das Leben und Wohlergehen der jüngsten Unionsbürger auswirken können, würde ein solcher Test im Rahmen einer Folgenabschätzung eine Gelegenheit bieten, um Maßnahmen, mit denen zur Förderung und zum Schutz der Rechte des Kindes beigetragen wird, zu ermitteln und vorzusehen. Es könnte unter Verwendung aktueller, vergleichbarer und hochwertiger nach Geschlecht und Alter aufgeschlüsselter Daten dafür gesorgt werden, dass den sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen ergebenden Verpflichtungen bei künftigen EU-Rechtsvorschriften nachgekommen wird. Darüber hinaus könnte mit einer Überarbeitung und Aktualisierung des Indikatorrahmens der EU dazu beigetragen werden, dass auf Kinder ausgerichtete Indikatoren berücksichtigt werden.
2. Auf dem Weg zu einem kinderfreundlichen Justizsystem
Das Kindeswohl sollte in Fällen im Zusammenhang mit dem Wohlergehen und Wohlbefinden von Kindern stets an erster Stelle stehen, unabhängig davon, ob es dabei um das Sorgerecht, das Auseinanderbrechen von Familien, Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf den Aufenthaltsort – auch, wenn sie minderjährige Drittstaatsangehörige betreffen –, in LGBTI+-Familien hineingeborene Kinder oder andere Fragen des Kindeswohls geht. Auch wenn für das Familienrecht nach wie vor die EU-Mitgliedstaaten zuständig sind, kann die EU Rechtsvorschriften erlassen, wenn es bei einem vorhandenen besonderen Gesetzgebungsverfahren zu länderübergreifenden Auswirkungen kommt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Situation nach dem Brexit und die Sicherstellung dessen, dass dem Kindeswohl im Zusammenhang mit dem Sorgerecht und dem Unterhalt weiterhin Rechnung getragen wird, insbesondere, wenn ein Elternteil in der EU und der andere Elternteil in einem Drittland lebt.
Familienrechtsstreitigkeiten sind immer belastend und emotional, aber länderübergreifende Fälle sind darüber hinaus heiklerer Natur und eine rechtliche Herausforderung. Daher muss die Öffentlichkeit stärker für diese komplexen Angelegenheiten sensibilisiert werden, unter anderem für länderübergreifende Sorgerechtsfälle, die länderübergreifende Durchsetzung von Umgangsrechten und Unterhaltspflichten oder Verfahren im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Kindesentführung durch einen Elternteil. Dabei sollte unter anderem Klarheit über die Rechte und Pflichten der Eltern und die Rechte der Kinder in jedem Land geschaffen werden. Verbesserungen der nationalen Dienste in enger Zusammenarbeit mit der EU könnten zum besseren Schutz des Kindeswohls führen.
Durch eine Vermittlung in solchen Fällen könnte dazu beitragen werden, konfliktreiche Spannungen bei langwierigen Rechtssachen zu verhindern. Fachkammern von Gerichten in den nationalen Familiengerichtssystemen könnten mithilfe von Vermittlungsgremien einen Beitrag dazu leisten, dass derartige multinationale länderübergreifende Familienrechtssachen schneller bearbeitet werden.
Länderübergreifende Fälle stellen zudem eine rechtliche Herausforderung dar, weil das erforderliche Mindestalter in den verschiedenen Mitgliedstaaten variiert, was dazu führen kann, dass ein Kind in Abhängigkeit von unterschiedlichen Alterskriterien unterschiedlich behandelt wird. Die unterschiedliche nationale Terminologie erschwert die Klassifizierung länderübergreifender Straftaten häufig erheblich. Daher fordert die EVP-Fraktion die Kommission auf, die Probleme im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Terminologie zu ermitteln.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (auch als Verwirklichung der Beteiligungsrechte von Kindern) ist ein grundsätzliches Recht, wie in dem Übereinkommen definiert. In Artikel 12 des Übereinkommens ist festgelegt, dass Kinder das Recht haben, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten zu äußern, und dass die Meinung von Kindern angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt werden muss. Dieses Recht gilt gleichermaßen für die Beteiligung von Kindern bei sozialen und politischen Angelegenheiten sowie bei Gerichts- und Verwaltungsverfahren. Grundsätzlich wird mit dem Anspruch des Kindes auf rechtliches Gehör dem Konzept der „Handlungsfähigkeit“ von Kindern Rechnung getragen, wobei Kinder nicht nur als Personen, die besonderen Schutz benötigen, sondern auch als Personen angesehen werden, die fundierte Entscheidungen treffen, über Rechte verfügen und aktive Mitglieder der Gesellschaft sind. Daher sollten Kinder in allen Situationen Gehör finden, wenn dies möglich ist. Wir sollten für Kinder, über Kinder und mit Kindern sprechen. Der Beginn der COVID‑19-Pandemie brachte Herausforderungen in Bezug auf den Zugang von Parteien zur Justiz mit sich, die eine vorausschauende Reaktion der zuständigen Behörden erforderlich machen. Damit die festgelegten Verfahrensvorschriften eingehalten werden, müssen Hindernisse für ordnungsgemäße Verfahren und für den Zugang zur Justiz beseitigt werden.
Das Europäische Parlament wies 2016 in seiner Entschließung zum Schutz des Kindeswohls in der EU darauf hin, „dass die hohe Zahl der eingegangenen Petitionen über Kinder zeigt, dass es bei der Umsetzung der Brüssel-IIa-Verordnung ein großes Problem gibt“. Das Parlament vertrat darüber hinaus die Auffassung, „dass alle Kinderschutzsysteme über transnationale und grenzüberschreitende Mechanismen verfügen müssen, die den Besonderheiten grenzüberschreitender Streitigkeiten Rechnung tragen“. Es obliegt dem Europäischen Parlament, sicherzustellen, dass seine legislative und nichtlegislative Arbeit derart gestaltet ist, dass die Rechte des Kindes geachtet, gefördert und geschützt werden und dass sie dem Leben von Kindern sowohl in der EU als auch im Rahmen der Außenbeziehungen der EU zuträglich ist.
Die EVP-Fraktion fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dazu zu verpflichten, ein kinderfreundliches Justizsystem zu schaffen, in dem die konkrete Situation und die Bedürfnisse von Kindern (Status als Opfer, Zeuge oder Täter) im Laufe von Verfahren im größtmöglichen Umfang berücksichtigt werden. Für minderjährige Opfer von Straftaten sind von spezialisiertem Personal durchgeführte altersgerechte Anhörungen, bei denen eine effiziente psychologische Betreuung leicht zugänglich gemacht wird, besonders wichtig, damit einer potenziellen Belastung und potenziellen Traumata entgegengewirkt wird. Jegliche Entscheidung in Bezug auf die Situation eines Kindes muss klar erläutert werden, wobei unter anderem darauf eingegangen werden muss, welche unmittelbaren Folgen die jeweilige Entscheidung für das Kind hat. Die EVP-Fraktion fordert die Mitgliedstaaten auf, praktische Leitlinien, angemessene Schulungen für alle Fachkräfte, die mit Kindern Kontakt haben, z. B. für Lehrkräfte, Erzieher in Kindertagesstätten und juristisches und medizinisches Personal, und verpflichtende Schulungen für Jugendstaatsanwälte und Richter an Familiengerichten vorzusehen. Zudem fordert die EVP-Fraktion die Kommission auf, Schulungen zum länderübergreifenden EU-Familienrecht für Rechtspraktiker weiterhin zu erleichtern, insbesondere in Anbetracht der neuen Vorschriften über Fälle im Zusammenhang mit dem länderübergreifenden Sorgerecht und Kindesentführungen durch einen Elternteil im Rahmen der Brüssel-IIa-Verordnung, die Mitte 2022 in Kraft treten wird. Die EVP-Fraktion unterstützt ferner die Bereitstellung von Übersetzungsdiensten mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass sich alle Kinder bequemer äußern können. Es ist von entscheidender Bedeutung vorausschauend zu handeln und jungen Mitgliedern der Gesellschaft ein kinderfreundliches Justizsystem zu präsentieren. Die EVP-Fraktion fordert alle Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihren jungen Bürgern auf kindgerechte Weise Zugang zu entsprechenden Informationen gewährt wird, und dabei jeglichen Behinderungen, durch die der Zugang beeinträchtigt werden könnte, Rechnung zu tragen.
3. Bekämpfung von Gewalt – körperliche Unversehrtheit und das Recht darauf, in einem gesunden Umfeld aufzuwachsen
Damit der Schutz der Kinderrechte und des Wohlergehens von Kindern gestärkt wird, muss das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit bei der Ausarbeitung und Annahme einer neuen Kinderrechtsstrategie berücksichtigt werden. Dabei müssen insbesondere alle Formen von Gewalt gegen Kinder – einschließlich körperlicher, sexueller, wirtschaftlicher und psychischer Gewalt – bekämpft werden, wobei der Geschlechterperspektive gebührende Aufmerksamkeit zu widmen ist. Kinder sind sowohl direkt als auch indirekt von häuslicher Gewalt, die sich während der COVID‑19-Pandemie verschärft hat, betroffen. Vor dem Hintergrund der Isolation zu Hause, der Telearbeit, geschlossener Schulen und finanzieller Unsicherheit wurde festgestellt, dass familiäre Beziehungen tendenziell immer angespannter werden, wobei sich die Schutzbedürftigkeit von Kindern und Frauen noch verstärkt. Die EVP-Fraktion spricht sich dafür aus, erforderlichenfalls – z. B. bei Fällen häuslicher Gewalt – auf hochwertige Kontaktzentren zurückzugreifen, um es Familien zu ermöglichen, in Anwesenheit eines Sozialarbeiters in einer kontrollierten Umgebung zusammenzukommen.
Kinder haben noch immer unter Misshandlung und Vernachlässigung zu leiden und werden nach wie vor Opfer von Mobbing einschließlich Cybermobbing. Der sexuelle Missbrauch von Kindern, einschließlich der Verbreitung von Kinderpornografie und von Material zur Kinderprostitution, fordert weitere Opfer, insbesondere unter Mädchen und jungen Frauen. Jugendliche müssen ihre Rechte in diesem Bereich kennen, insbesondere, was ihre Einwilligung anbelangt. Die EVP-Fraktion begrüßt die Mitteilung der Kommission zu einer EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, ist jedoch überzeugt, dass im Zuge der neuen Strategie alle Formen von Gewalt gegen Kinder sorgfältig untersucht werden müssen und sichergestellt werden muss, dass die Rechte des Kindes im Rahmen der bisherigen und künftigen legislativen und sonstigen Maßnahmen durchgängig berücksichtigt werden. Zudem muss eine enge Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Drittländern und eine koordinierte Reaktion im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit über Europol und Eurojust vorgesehen werden. Es werden mehr Daten benötigt, um die Hindernisse beim Kampf gegen Kinderhandel angehen zu können. Daher fordert die EVP-Fraktion, dass staatliche Stellen enger mit der Zivilgesellschaft, lokalen Behörden, kirchlichen Einrichtungen und anderen vergleichbaren Akteuren zusammenarbeiten. Darüber hinaus ist eine koordinierte, länderübergreifende Reaktion im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Mehr Kenntnisse und eine koordinierte Reaktion würden es ermöglichen, Opfer frühzeitig zu identifizieren und ihnen Rechtsberatung zur Sicherung ihrer Rechtsansprüche zu bieten. Eine frühzeitige Identifizierung ist zwingend erforderlich, damit dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Tätern und Opfern ein Ende gesetzt werden kann. Die EVP-Fraktion duldet keinerlei Formen von Gewalt gegen Kinder und fördert die Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen. Wir sind entschlossen, nicht nur im Namen der Kinder, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer Beiträge und ihrer Perspektive zu handeln, um für ihren umfassenden Schutz zu sorgen.
4. Kinder im Online-Umfeld
Im Mai 2012 legte die Europäische Kommission die Europäische Strategie für ein besseres Internet für Kinder vor, um Kindern die digitalen Kompetenzen und Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie benötigen, um einen Online-Zugang in vollem Umfang zu nutzen, und gleichzeitig für ihre Sicherheit zu sorgen. Außerdem soll damit das Potenzial des Marktes für interaktive, kreative und bildungsbezogene Online-Inhalte erschlossen werden. Allerdings sind im sich rasch entwickelnden Online-Umfeld acht Jahre eine Ewigkeit, und es ist höchste Zeit für eine neue Strategie, die den jüngsten technologischen Entwicklungen Rechnung trägt. In der neuen EU-Strategie für Kinderrechte sollten daher einige Maßnahmen vorgeschlagen und die Lehren aus der Zunahme des Online-Lernens während der COVID-19-Pandemie berücksichtigt werden. Durch diese letzten Monate hat sich der bereits vorhandene Trend beschleunigt, dass sich die Tätigkeiten unserer Kinder zu einer Online-Realität hin verlagern. Digitale Kompetenz für alle Kinder ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, so sicher wie möglich im Internet zu surfen.
Die wichtigsten Feststellungen des Unicef-Berichts von 2017 über Kinder in einer digitalen Welt belegen, dass immer mehr darauf hindeutet, dass Kinder in immer früherem Alter auf das Internet zugreifen. In manchen Ländern ist es bei Kindern unter 15 ebenso wahrscheinlich, dass sie das Internet nutzen, wie bei Erwachsenen über 25. Auch wenn die Konnektivität für einige der am stärksten ausgegrenzten Kinder der Welt eine Wende darstellt und ihnen dabei helfen kann, ihr Potenzial auszuschöpfen und die generationenübergreifenden Armutskreisläufe zu durchbrechen, kann die digitale Technologie Kinder auch anfälliger für sowohl online als auch offline erlittene Schäden machen. Benachteiligte Kinder sind womöglich schon stärker durch bestimmte Online-Probleme gefährdet, zu denen auch der Verlust der Privatsphäre gehört. Die EVP-Fraktion fordert die Kommission auf, stärkere Schutzmaßnahmen vorzuschlagen, um gegen Missbrauch der sozialen Medien vorzugehen, insbesondere im Falle des unbeaufsichtigten Zugangs von Kindern zu Plattformen. Die EVP-Fraktion fordert die Kommission auf, einen stärkeren Verbraucherschutzrahmen für Kinder vorzuschlagen, insbesondere im Hinblick auf Mikrokäufe, In-Game-Käufe und damit verbundene Werbung und insbesondere im Zusammenhang mit der derzeitigen Pandemie und längeren online verbrachten Zeiten.
Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern ist für die EVP-Fraktion eine Priorität. Das Europäische Parlament und der Rat haben beide weitere konkrete in Zusammenarbeit mit Technologieplattformen und der IKT-Branche entwickelte Maßnahmen gefordert. Ferner fordert die EVP-Fraktion die Technologieunternehmen auf, für eine Kultur des Schutzes ihrer Endnutzer zu sorgen. Die EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern enthält eine umfassende Antwort auf die wachsende Bedrohung durch sexuellen Missbrauch von Kindern, sowohl online als auch offline, indem die Prävention, die Ermittlung, kinderfreundliche und altersgerechte Berichterstattung und die Unterstützung für Opfer verbessert werden. Die EVP-Fraktion fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, Online-Grooming, Cyberstalking, Online-Werbung für Kinder und den Austausch intimer und expliziter Bilder ohne Einwilligung unter Strafe zu stellen.
Die EVP-Fraktion ist davon überzeugt, dass die Strategie nur der Anfang ist und konkrete Legislativvorschläge erforderlich sind, um den sexuellen Missbrauch von Kindern wirksam zu bekämpfen, beispielsweise ein Vorschlag, mit dem die einschlägigen Anbieter von Online-Diensten verpflichtet werden, bekanntes Material über sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken und dieses Material den Behörden zu melden. Die Rechtslücken müssen ermittelt und geschlossen werden, damit Datenschutz nicht zum Täterschutz wird.
Die EVP-Fraktion begrüßt die Zusage der Kommission, für die EU-weite Umsetzung und vollständige Einhaltung der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2011/93/EU) zu sorgen.
Um sicherzustellen, dass sexueller Missbrauch von Kindern im Internet wirksam untersucht und verfolgt werden kann, erachtet es die EVP-Fraktion als wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden rechtmäßig auf verschlüsseltes Material über sexuellen Kindesmissbrauch zugreifen können. Die EVP-Fraktion unterstützt die mögliche Schaffung eines europäischen Zentrums zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, welches die Mitgliedstaaten ganzheitlich unterstützen würde. Die COVID-19-Pandemie hat dazu geführt, dass die meisten Lern- und Sozialisierungsaktivitäten online stattfinden. Durch die zunehmende Nutzung des Internets und insbesondere der Plattformen der sozialen Medien hat sich die Gefahr von Cybermobbing ausgeweitet. Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder in vollem Umfang von den Möglichkeiten Gebrauch machen können, die eine Online-Umgebung bietet, ohne der Gefahr einer Schikanierung ausgesetzt zu sein. Die Strategie muss Vorkehrungen enthalten, um gegen die Ursachen von Mobbing im Internet vorzugehen und junge Menschen mit den Kenntnissen und Instrumenten auszustatten, mit denen sie, wenn sie Cybermobbing erleben, wirksam reagieren können.
Während des Corona-Lockdowns, bei dem Millionen von Kindern, Schülern und Studierenden zu Hause bleiben mussten, traten die bestehenden Defizite und die unzureichende Umsetzung der digitalen Bildung in vollem Umfang zutage. Durch die COVID-19-Pandemie sind die in ganz Europa bestehenden Ungleichheiten umso deutlicher zutage getreten. Schutzbedürftige Gruppen von Kindern, wozu auch diejenigen mit Behinderung und aus ethnischen Gruppen und Minderheiten, aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen wie etwa Kinder in ländlichen und schwer erreichbaren Gebieten gehören, hatten geringen oder gar keinen Zugang zu Fern- oder Online-Unterricht. Nach Artikel 29 des Übereinkommens muss die Bildung darauf gerichtet sein, „die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen“. Diese digitale Armut macht es EU-weit für viele Kinder fast unmöglich, an Bildung teilzuhaben und das gleiche Recht auf Bildung in Anspruch zu nehmen. Das darf weder ewig so weitergehen noch zu einem hingenommenen Teil der „neuen Normalität“ nach COVID-19 werden.
Hochwertige und inklusive Bildung für alle Kinder in Europa ist für die EVP-Fraktion ein wichtiges Ziel. Digitale Kompetenz ist zu einem wesentlichen Faktor geworden, insbesondere während der COVID-19-Pandemie. Hierzu gehört auch die Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zu den digitalen Instrumenten des Fernunterrichts. Kein Kind darf zurückgelassen werden.
Kinder gedeihen, wenn es den Eltern gut geht und sie ihnen über die Familie Fürsorge und Erziehung geben. Um dies zu erleichtern müssen moderne Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben mit flexiblen Arbeitsregelungen und der Bereitstellung von Kinderbetreuungsdiensten, einschließlich hochwertiger frühkindlicher Bildung, im Mittelpunkt unserer Arbeit zu den Kinderrechten stehen. Frühzeitige Investitionen sind für die Humankapitalbildung entscheidend. Die effizientesten politischen Initiativen konzentrieren sich fast immer auf die Vorschul- und Schulzeit; daher ist Bildung ein Kernstück für eine ehrgeizige und effiziente soziale Strategie für Kinder. Die EVP-Fraktion weist ferner darauf hin, dass es wichtig ist, 10 % des Aufbaufonds für Bildung aufzuwenden, wie es das Europäische Parlament im Oktober 2020 beschlossen hat.
5. Alle Kinder in die Lage versetzen, Erfolg zu haben – Schutz gefährdeter Kinder
Kinder sind unsere Zukunft, daher liegt es im Interesse der EU, alle Kinder in die Lage zu versetzen, Erfolg zu haben. Eine wesentliche Voraussetzung für das Wohlergehen von Kindern sind Inklusion und ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Gemeinschaften. Nur so können sie gedeihen und Erfolg haben. Daher ist die EVP-Fraktion der Auffassung, dass die neue EU-Kinderrechtsstrategie eine ganzheitliche Sicht auf die Bedürfnisse von Kindern enthalten sollte, die die in bestehenden und künftigen legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen durchgängig berücksichtigt wird. Darin sollten besondere Bedürfnisse schutzbedürftiger Kinder besondere Aufmerksamkeit erhalten - darunter Kinder mit Behinderungen, Migrantenkinder und Kinder in Armut, wie zum Beispiel Roma-Kinder. Die schwerste Last der Armut tragen in der Regel Roma-Kinder als die schwächsten Mitglieder der Gemeinschaft. In extremer Armut lebende Roma-Kinder sind laut einer kürzlich von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) in elf EU-Mitgliedstaaten durchgeführten Erhebung häufig in einem Kreislauf generationenübergreifender Armut gefangen.
Trotz positiver Entwicklungen in jüngster Zeit bleiben Kinderarmut und generationenübergreifende Kreisläufe von Armut undBenachteiligung ein Problem in der EU, wobei sich die Lage durch die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert.
Die Europäische Union gilt als Vorreiterin bei der Bekämpfung von Kinderarmut. Ein Meilenstein war die 2013 angenommene Empfehlung des Rates zu Investitionen in Kinder. Auf Anregung des Europäischen Parlaments beabsichtigt die Kommission, weiter zu gehen: Für 2021 ist ein Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für eine Kindergarantie geplant. Eine solche Garantie soll den Zugang zu hochwertiger und kostenloser frühkindlicher Betreuung und Bildung, angemessener Ernährung, Gesundheitsversorgung und Wohnraum gewährleisten, was ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer, nationaler, regionaler und/oder lokaler Ebene voraussetzt
Die EVP-Fraktion setzt sich dafür ein, das Instrument der Kindergarantie weiter zu erörtern und daran zu arbeiten und einen pragmatischen Ansatz mit dem Ziel zu verfolgen, sie in den Mitgliedstaaten wirksam umzusetzen - aufbauend auf den Erfahrungen aus der Jugendgarantie. Vieles spricht dafür, dass eine Unterstützung für junge Menschen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen erst während des Übergangs von der Schule ins Erwerbsleben viel zu spät kommt. Es ist absolut notwendig, sie in einem früheren Stadium mit den notwendigen sozialen und kognitiven Fähigkeiten für eine langfristige Entwicklung und ein erfolgreiches Berufsleben auszustatten. Folglich könnte eine Zweckbindung von 5 % des ESF+-Programms für besonders benachteiligte Kinder die Empfehlung des Rates zur Kindergarantie ergänzen.
Die Systeme für allgemeine und berufliche Bildung sollten so reformiert werden, dass schutzbedürftige Kinder die gleichen Bildungschancen haben wie ihre Altersgenossen. Es ist äußerst wichtig, das Recht der Kinder auf Erholung und Freizeit anzuerkennen und darauf, zu spielen und an altersgerechten Freizeitaktivitäten teilzunehmen und ungezwungen und mit ihren Altersgenossen gleichberechtigt am Kulturleben und an der Kunst teilzuhaben.
Von frühester Kindheit an sind Zugehörigkeit und Rechtssicherheit von wesentlicher Bedeutung für das Wachstums- und Erfolgspotenzial eines Kindes. Ein staatenloses Kind wird Schwierigkeiten beim Zugang zu seinen Rechten und zu staatlichen Dienstleistungen haben und anfälliger für Ausbeutung sein, was seine Erfolgsaussichten beeinträchtigt. Die EVP-Fraktion fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, zusammen darauf hinzuarbeiten, dass jedes Kind Zugang zu einer Geburtsurkunde, zu einer Staatsangehörigkeit und zu Ausweisdokumenten haben kann.
Damit jedes Kind wachsen und sein volles Potenzial entfalten kann, müssen wir den Zugang zu sauberer Umwelt und Gesundheitsversorgung gewährleisten. Die EVP-Fraktion verpflichtet sich, für eine gesündere und sauberere natürliche Umwelt für die jüngsten Europäerinnen und Europäer zu kämpfen. Daher ist die EVP-Fraktion entschlossen, sich mit der Frage der Luftverschmutzung und der Erhaltung der natürlichen Umwelt zu befassen, um den Klimanotstand dringend zum Stillstand zu bringen. Dies ist die wichtigste Investition, zu der wir uns für unsere Kinder verpflichten können.
Da durch die COVID-19-Pandemie die Gesundheitssysteme in der gesamten EU betroffen und unter beispiellosem Druck geraten sind, müssen wir dafür kämpfen, dass das Recht jedes Kindes auf uneingeschränkten Zugang zu kinderfreundlichen Gesundheitsdiensten gewahrt bleibt, einschließlich hochwertiger seelischer und psychologischer Unterstützung. Das ist ungeheuer wichtig, denn nach der derzeitigen Pandemie wird die EU mit einer Krise der psychischen Gesundheit konfrontiert sein, die sich auf unsere Kinder sehr nachteilig auswirken wird. Wenn es in den kommenden Jahren an Maßnahmen und Investitionen in Einrichtungen und Unterstützung im Bereich der psychischen Gesundheit mangelt, wird sich das langfristig verheerend auf Kinder und Jugendliche auswirken. Kein Kind sollte zurückgelassen und vernachlässigt, wenn es mit irgendeiner Form körperlicher oder geistiger Erkrankung zu kämpfen hat. Die EVP-Fraktion unterstützt die Aufstellung eines einheitlichen und kohärenten europäischen Impfzeitplans für Kinder und den gleichberechtigten Zugang zu den neuesten Therapien und Arzneimitteln im Bereich der pädiatrischen Behandlung, insbesondere bei seltenen Krankheiten und Krebs im Kindesalter.
Die EVP-Fraktion ist der Auffassung, dass angemessene Investitionen während der Kindheit und in Kinder zu langfristigen Vorteilen für jeden Einzelnen,für die Gesellschaften und Volkswirtschaften beitragen können, weil der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen solcher Investitionen die Finanzierungskosten deutlich überwiegt.
III. Künftige EU-Kinderrechtsstrategie
Die Art und Weise, wie Erwachsene und die Gesellschaft Kinder behandeln und ihre Rolle wahrnehmen, hat sich vor langer Zeit verändert. Trotz beträchtlicher Fortschritte in Europa bleiben grundlegende Probleme bestehen wie Gewalt gegen Kinder, Kinderarmut, Mobbing und der Zugang zu einer kinderfreundlichen Justiz. Die künftige Strategie sollte umfassend sein; alle bereits bestehenden einschlägigen Strategien sollten einbezogen werden und einander ergänzen, damit die EU ihre Anstrengungen und Finanzmittel nicht doppelt und mehrfach einsetzt. Kinder sind die Zukunft Europas; deshalb müssen wir auf ihre Rechte und Bedürfnisse eingehen. Es ist unmöglich, die Zukunft Europas zu debattieren, wenn wir die Ansichten und Bedürfnisse seiner jungen Bürgerinnen und Bürger nicht berücksichtigen. Es ist unsere Pflicht, alle Kinder in die Lage zu versetzen, erfolgreich zu sein, damit sie sich künftigen Herausforderungen ohne Angst stellen und ein erfülltes Leben führen können.
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