Positionspapier der EVP-Fraktion zu Steuerfragen

24.06.2015

Positionspapier der EVP-Fraktion zu Steuerfragen

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Prioritäten der EVP-Fraktion in Steuerfragen:

  • Steuern sind in den Ländern zu zahlen, in denen die eigentliche Wirtschaftstätigkeit und Wertschöpfung stattfindet oder im Fall der indirekten Besteuerung dort, wo der Verbrauch erfolgt.
  • Mit Blick auf die EU-Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer spricht die EVP sich für die Anwendung des Bestimmungslandprinzips aus. Außerdem muss dringend auf wirksamere Mehrwertsteuersysteme und eine bessere EU-weite Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften hingearbeitet werden.
  • Die EVP befürwortet eine starke Steuerhoheit, das heißt, sie erachtet eine Überprüfung des Vertrags mit Blick auf die Abschaffung des Prinzips der Einstimmigkeit in Steuerfragen nicht für erforderlich. Die Abstimmung und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten müssen aber dennoch verstärkt werden, damit alle Arten der Doppelbesteuerung, der doppelten Nichtbesteuerung oder des Missbrauchs von Vorschriften gegen die Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und die Gewinnverlagerung (BEPS) beseitigt werden können.
  • Wir betonen, dass im Hinblick auf einen weiteren Beitrag zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen, die Notwendigkeit besteht, die Steuerlast von der Arbeit auf ein breiter angelegtes System der Besteuerung zu verlagern. Dem Übergang von direkter zu indirekter Besteuerung sollte mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
  • Die EVP unterstützt die Harmonisierung der Bemessungsgrundlage und der steuerbehördlichen Verfahren in der EU, ist aber gegen eine Harmonisierung der Steuersätze. Die Mitgliedstaaten sind am besten in der Lage, die Steuersätze festzulegen und dadurch in der Europäischen Union für die Entstehung eines natürlichen Spektrums an einschlägigen Steuersätzen zu sorgen. Im Zuge der Harmonisierung der Vorschriften über die Bemessungsgrundlage sollte auch dafür gesorgt werden, dass es bei der steuerrechtlichen Behandlung der verschiedenen Kredit- und Beteiligungsfinanzierungssysteme von Unternehmen zu keiner Diskriminierung kommt.
  • Bei der Einrichtung von Steuersystemen müssen die Mitgliedstaaten sich vom Grundprinzip des wirksamen, transparenten und fairen Steuerwettbewerbs leiten lassen, damit ihre Steuersysteme den Herausforderungen der Globalisierung und der Notwendigkeit wettbewerbsfähiger EU-Volkswirtschaften entsprechen. Steuer- und wettbewerbspolitische Maßnahmen sollten im Interesse der Verbraucher und der Bürger in der EU als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden. Wir betrachten europäischen Beihilfenkontrolle als ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Steuerpraktiken, die den Binnenmarkt verzerren.
  • Steuervorbescheide bieten eine wichtige Handhabe, wenn für Unternehmen Rechtssicherheit hergestellt und verdeutlicht werden soll, dass es inakzeptabel ist, Steuervorentscheidungen für geschäftliche Verhandlungen zu missbrauchen, statt sich an die Gesetze zu halten. Der Missbrauch von Steuervorentscheidungen sollte auf EU-Ebene und auf übergeordneten Ebenen thematisiert werden.
  • Die EVP teilt die Ansicht, dass die steuerpolitischen Maßnahmen der EU im größeren Kontext betrachtet werden sollten und dabei den Tätigkeiten der OECD und anderer internationaler Einrichtungen bezüglich der Festlegung einer koordinierten globalen Steuerarchitektur zur Verhinderung von Steuerhinterziehung Rechnung getragen werden sollte.
  • Die EVP begrüßt die Fortschritte, die unlängst mit Blick auf den automatischen Austausch von Steuerdaten erzielt wurden, und ist bereit, sich auf der internationalen Ebene für einen OECD-Standard zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten einsetzen.
  • Die Überarbeitung der Steuerpolitik sollte in den Mitgliedstaaten als fester Bestandteil der Strukturreformen betrachtet werden. Es gilt, die Steuerpolitik mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit und eine tragfähige Schulden- und Ausgabenpolitik der Mitgliedstaaten zu überarbeiten.
  • Alle Mitgliedstaaten, und insbesondere jene, die finanzielle Unterstützung erhalten, sollten zur Durchführung von Strukturreformen verpflichtet werden, die unter anderem darauf ausgerichtet sind, die Kapazitäten zur Steuererhebung aufzustocken und effizienter zu gestalten, gegen Steuerbetrug vorzugehen und Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung zu treffen.
  • Die EVP möchte eine starke, diversifizierte europäische Unternehmenslandschaft fördern und weist darauf hin, dass Rechtssicherheit und einfache Steuervorschriften für die Entstehung eines unternehmensfreundlichen Umfelds eine wichtige Rolle spielen.
  • Bei der Steuerreform dürfen der Verwaltungsaufwand und die mit der Einhaltung der Regelungen verbundenen Kosten nicht außer Acht gelassen werden. Die EVP ist für Steuermodelle und vereinfachte Verfahren zur Befolgung der Steuerpflichten, die KMU, Kleinstbetriebe und Jungunternehmen begünstigen.

Die EVP-Fraktion fordert konkrete legislative und nichtlegislative Maßnahmen:

  • Die EVP begrüßt die Bestimmungen über die Verpflichtung zur länderbezogenen Meldung, die nach der Rechnungslegungsrichtlinie, die bis 2018 von der Kommission überarbeitet werden soll, und gemäß der Eigenkapitalrichtlinie CRD IV gelten. Die Kommission sollte eine gründliche Ex-ante-Bewertung durchführen, bevor sie in Erwägung zieht, eine etwaige Ausweitung dieser Verpflichtungen vorzuschlagen. Damit am Markt weiterhin gleiche Ausgangsbedingungen herrschen, müssen auch die Entwicklungen berücksichtigt werden, die sich bei der OECD im Bereich BEPS bezüglich der Vorschriften über die länderbezogene Meldung vollziehen. KMU und Midcap-Unternehmen dürfen keinesfalls durch weitere Meldepflichten belastet werden.
  • Die Kommission sollte neue Rechtsvorschriften oder andere Maßnahmen gegen BEPS vorschlagen, die inhaltlich am Aktionsplan der OECD ausgerichtet sind. Sie sollte sich bei der Frage der Verrechnungspreisgestaltung sowie der Preisgestaltung bei Darlehen und Zahlungsgebühren bei gruppeninternen Transaktionen für bewährte Verfahren einsetzen, damit die Preise dem Marktniveau entsprechen. Aus Sicht der EVP kann nur mit einem europäischen Konzept erreicht werden, dass grenzüberschreitende hybride Gestaltungen unterbunden werden und gemeinsame Patentbox-Regeln eingeführt werden.
  • Die Kommission sollte zur Frage der verbindlichen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage einen verbesserten Vorschlag vorlegen, in dem eine wesentliche Straffung der Verwaltungsverfahren und Regelungen für einen sanften Übergang vorgesehen sind.
  • Die Kommission muss die bestehenden Ermittlungsinstrumente und die Vorschriften über staatliche Beihilfen einheitlich anwenden, damit in der Steuer- und Wettbewerbspolitik Gerechtigkeit herrscht. Deshalb sollten Ressourcen und Personaldecke bei den einschlägigen Direktionen der Kommission entsprechend aufgestockt werden.
  • Die EVP begrüßt den jüngsten Vorschlag der Kommission, die Mitgliedstaaten zum regelmäßigen, automatischen Austausch von Informationen über Steuervorbescheide zu verpflichten, und fordert, dass dieser Legislativvorschlag zügig zum Abschluss gebracht wird und die dadurch verfügbaren Informationen von den Mitgliedstaaten und der Kommission richtig genutzt werden. Aus Sicht der EVP sollten sowohl grenzüberschreitende Steuervorbescheide als auch die einschlägigen nationalen Steuervorbescheide unter die Vorschriften für den automatischen Informationsaustausch fallen.
  • In Bezug auf die Mehrwertsteuer sollte die Kommission auf die Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips hinwirken – und zwar insbesondere mit Blick auf die Anwendung dieses Grundsatzes bei KMU.
  • Die Kommission sollte sich für wirksamere Mehrwertsteuersysteme und eine bessere Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften einsetzen.
  • Die Kommission sollte weitere Möglichkeiten prüfen, um die Anwendung der Steuerschuldumkehr (Reverse-Charge) im Umsatzsteuerrecht auf Warenlieferungen zwischen Unternehmen auszudehnen, zumal dies bei digitalen Waren und Dienstleistungen bereits der Fall ist.
  • Die Kommission sollte für die Besteuerung digitaler Inhalte und Dienstleistungen im Einklang mit der Strategie der EU für einen digitalen Binnenmarkt Referenzpunkte festlegen.
  • Damit die Mehrwertsteuervorschriften technologieneutral zur Anwendung kommen, sollte die Kommission Änderungen an der Mehrwertsteuerrichtlinie vorschlagen, mit denen sichergestellt wird, dass die physische und die digitale Version einer Ware in gleicher Weise behandelt werden.
  • Das Europäische Semester sollte zur Förderung einer verantwortungsvollen Steuerpolitik genutzt werden. Auch der Jahreswachstumsbericht und die länderspezifischen Empfehlungen bieten die Gelegenheit, um Maßnahmen zu empfehlen, mit denen die Wirksamkeit der Steuersysteme erhöht und die Verbreitung bewährter Praktiken für eine effiziente Steuererhebung zu fördern.
  • Die Mitgliedstaaten sollten bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug stärker zusammenarbeiten.
  • Die Kommission sollte eine Mitteilung verfassen, um auf die Erarbeitung einer Definition der EU für den Begriff „Steueroase“ (nicht kooperierende Staaten und Gebiete) hinzuwirken, die auf den Kriterien der OECD beruht. Gleichzeitig sollte eine klare Vorstellung davon entwickelt werden, wie von einer entsprechenden Liste Gebrauch gemacht werden sollte.
  • Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass KMU und Familienunternehmen, die das Rückgrat der Volkswirtschaft bilden, durch die nationalen Steuervorschriften unterstützt werden.
  • Die Mitgliedstaaten sollten einen Standardquellensteuersatz auf Zins- und Lizenzgebühren einführen, um die Besteuerung von Gebührenzahlungen an Nicht-EU-Länder sicherzustellen, für die keine entsprechenden bilateralen Steuerabkommen gelten.
  • Die Gruppe „Verhaltenskodex“ (Unternehmensbesteuerung) sollte reformiert und ihre Arbeitsweise verbessert werden. Die Gruppe sollte politisch gestärkt werden, damit sie zur EU-weiten Steuerkoordinierung und unionsweiten Maßnahmen gegen BEPS beitragen kann.