Positionspapier der EVP-Fraktion zu Afrika

10.02.2022

Positionspapier der EVP-Fraktion zu Afrika

Veröffentlichung picture

Für eine beidseitig nutzbringende Partnerschaft

Afrika ist und bleibt ein wichtiger Partner der EU. Als kontinentale Nachbarn sind wir durch eine gemeinsame Geschichte, Kultur und Geografie miteinander verbunden. Darüber hinaus sind die EU und ihre Mitgliedstaaten in allen Belangen Afrikas wichtigster Partner in Bezug auf Handel, Investitionen, öffentliche Entwicklungshilfe (ODA), humanitäre Hilfe und Sicherheit. Nach Überwindung der COVID-19-Pandemie und der weltweiten Wirtschaftskrise stehen sowohl die EU als auch Afrika vor einer wachsenden Zahl an Herausforderungen, an die in koordinierter Weise herangegangen werden muss. Diese Herausforderungen betreffen insbesondere: Handel, Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen; Bildung; Klimawandel; Gesundheit, einschließlich Zugang zu Impfstoffen; Landwirtschaft und Ernährungssicherheit; nachhaltige und wirksame Entwicklungszusammenarbeit; Aufbau von Institutionen und verantwortungsvolle Verwaltung; Frieden und Sicherheit; Verstärkung des geopolitischen Wettbewerbs; Migration. Mit den wachsenden Herausforderungen geht aber auch eine Vielzahl gemeinsamer Chancen einher. Gemeinsam müssen die EU und Afrika diese günstige Gelegenheit nutzen und den Wiederaufbau nach der Überwindung von COVID-19 in Angriff nehmen, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG) umzusetzen. Dazu wird ein stärkeres Engagement beider Seiten für die Schaffung einer engeren und überzeugenderen Partnerschaft nötig sein, die auf gemeinsamen Interessen, strategischen Prioritäten, einer strukturierten und wirksamen Zusammenarbeit sowie auf klar definierten langfristigen Zielen basiert. Als Leitprinzip spricht sich die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP-Fraktion) daher für eine Partnerschaft zwischen der EU und Afrika aus, die auf Gegenseitigkeit, gemeinsamer Verantwortung, Solidarität, gegenseitigem Respekt und Gleichberechtigung beruht.

Die EU hat von der zunehmend veralteten Geber-Empfänger-Mentalität inzwischen Abstand genommen und tritt Afrika auf Augenhöhe gegenüber; diese Entwicklung hatte mit der Mitteilung über eine neue Allianz Afrika–Europa der Juncker-Kommission begonnen, setzte sich mit der Gemeinsamen Mitteilung der Kommission von der Leyen „Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika“ im Jahr 2020 fort und wurde vom Parlament 2021 in der Strategie für eine neue EU-Afrika-Partnerschaft erneut bekräftigt. Die EVP-Fraktion sprach sich für diesen Wandel aus, denn so können beide Seiten ihre eigenen Interessen verfolgen, gleichzeitig aber auch Kooperationsbereiche ermitteln, in denen sie zusammenarbeiten können. Darin finden wir unsere zentralen Werte als christlich-demokratische Mitte-Rechts-Fraktion wieder: Solidarität, Subsidiarität und Politikgestaltung im Sinne des Allgemeinwohls. Nach Ansicht der EVP-Fraktion wird es zur Bewältigung der eingangs erwähnten Herausforderungen nötig sein, dass die EU und Afrika:

  • den Handel, Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen vorantreiben,
  • den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erleichtern,
  • den Klimawandel abschwächen und sich ihm anpassen und umweltpolitische Herausforderungen in Angriff nehmen,
  • die Gesundheitssysteme stärken, die Pandemievorsorge fördern und sich für eine Impfstoffherstellung vor Ort einsetzen,
  • die Landwirtschaft in eine neue Richtung lenken, um für Ernährungssicherheit zu sorgen,
  • die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und der Effizienz der Hilfe sicherstellen,
  • den Aufbau von Institutionen und eine verantwortungsvolle Verwaltung fördern,
  • anhaltenden Frieden und dauerhafte Sicherheit begünstigen,
  • sich mit dem geopolitischen Wettbewerb auf dem afrikanischen Kontinent auseinandersetzen und
  • die Grundursachen der Migration beseitigen.

Handel, Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen

Die EVP-Fraktion begrüßt die Handelsstrategie 2021 der EU, bei der ein besonderer Schwerpunkt auf Afrika liegt und konkret einige Aktionsbereiche zur Festigung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren beiden Kontinenten sowie die Verstärkung des Engagements in afrikanischen Ländern vorgesehen sind. Bemerkenswert ist, dass die EU schon jetzt mit einem Importvolumen von insgesamt 124 Mrd. EUR den am weitesten geöffneten Markt für afrikanische Exporte darstellt: Für Afrika ist Europa der bei weitem größte Exportmarkt und Hauptkunde. So entsprach im Jahr 2020 der gesamte Warenverkehr zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und Afrika 225 Mrd. EUR, der Warenverkehr mit China belief sich hingegen auf 115 Mrd. EUR und mit den USA auf 38 Mrd. EUR. Es ist jedoch erforderlich, dass wir nichttarifäre Hemmnisse für den EU-Afrika-Handel im Bereich des Waren- und Dienstleistungsverkehrs deutlich senken. Dafür muss ein Dialog zu neuen Produktanforderungen und Qualitätsstandards aufgenommen werden, die mit den Rechtsvorschriften zum europäischen Grünen Deal eingeführt worden sind, aber auch zu neuen Verpflichtungen für Unternehmen, was Haftungsfragen in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards anbelangt.

Bisher werden die Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten, die in Afrika bestehen, von europäischen Unternehmen noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft. Wir von der EVP-Fraktion setzen uns dafür ein, dieser Entwicklung mit einer Reihe von Maßnahmen eine neue Richtung zu geben: a) Anwendung bewährter Verfahren, die afrikanische Vorreiterländer im Rahmen des Globalen Pakts der G20 für Afrika ermitteln konnten, b) Bereitstellung fachlicher Unterstützung bei der Änderung von rechtlichen Rahmenbedingungen und bei der Verbesserung des Investitionsklimas und c) Beseitigung von Hindernissen, indem z. B. Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durchgesetzt werden. Wir müssen aber auch Anpassungen vornehmen. So müssen wir die Arbeiten und Instrumente der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) an den Investitionsbedarf in Afrika anpassen, insbesondere in Form der Bereitstellung von Risikokapital und Bürgschaften zur Ermöglichung großer Investitionen, ohne jedoch die EU-Unterstützung für kleinere lokale Projekte zu vernachlässigen. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, dass europäische Investitionen mit einer sichtbaren Präsenz der EU und einem kontinuierlichen politischen Dialog Hand in Hand gehen.

Zu den Hürden für ausländische Investoren und für den erfolgreichen Start von afrikanischen Unternehmen, zählen zersplitterte Märkte, umständliche Transitregelungen und Grenzabfertigungsverfahren für Waren, Dienstleistungen und Personen sowie eine unzulängliche Umsetzung regionaler Integrationsverpflichtungen. Die EVP-Fraktion fordert die EU auf ihre Erfahrung in der Entwicklung des europäischen Binnenmarkts zu nutzen, um die regionale, wirtschaftliche und politische Integration in Afrika nachhaltig zu fördern. Von essenzieller Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die rechtzeitige, wirksame und umfassende Umsetzung der panafrikanischen Freihandelszone (AfCFTA), die im Durchführungsplan für die ersten zehn Jahre (2014–2023) im Rahmen der Agenda 2063 der Afrikanischen Union, die am 30. Mai 2019 in Kraft getreten ist, als Vorzeigeprojekt vorgesehen ist. Es scheint unverzichtbar, dass die EU und Afrika den überregionalen Handel etwa durch einen verstärkten politischen Dialog und eine intensivere Kooperation mit der Afrikanischen Union und ihren Mitgliedstaaten fördern. Wir ersuchen darum, bestehende Wirtschaftspartnerschaftsabkommen dahingehend zu überprüfen, ob sie der regionalen Integration dienen und sie unterstützen und ob sie mit der gegenwärtigen EU-Politik, wie den Zielvorgaben für die Verringerung der CO2-Emissionen oder der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, vereinbar sind.

Die EVP-Fraktion hält an der langfristigen Aussicht auf eine interkontinentale Freihandelszone fest. Dazu könnte das enge Verhältnis zwischen der EU und der südlichen Nachbarschaft als Vorbild dienen, denn damit wird veranschaulicht, dass Handelspolitik ein Instrument zur Förderung regionaler Integration und Stabilität und zur Schaffung einer Situation sein kann, von der sowohl Afrika als auch die EU profitieren. Aus diesem Grunde vertritt die EVP-Fraktion die Auffassung, dass mit dem Abschluss eines Freihandelsabkommens, in dem nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen Berücksichtigung finden, die wirtschaftliche Entwicklung in der südlichen Nachbarschaft verbessert würde und europäische Investitionen erleichtert würden.

Wir begrüßen die Reform des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) und werden aktiv auf eine Reform hinarbeiten, die das APS auf das nächste Jahrzehnt vorbereitet, damit afrikanischen Empfängerländern auch weiterhin bei der Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit durch Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften, durch den Ausbau der Exporttätigkeiten und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum geholfen werden kann. Darüber hinaus können Kredite und Beteiligungen über die europäischen Finanzinstitutionen aufgestockt werden, indem der Weg für Mikrofinanzierungen freigemacht wird, die für Existenzgründerinnen und Existenzgründer die erforderliche Starthilfe bedeuten können.

Auf multilateraler Ebene soll mit der Initiative für Handelshilfe unter der Leitung der Welthandelsorganisation (WTO) den Entwicklungsländern, insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern, geholfen werden, die Kapazitäten auf der Angebotsseite und die handelsbezogene Infrastruktur auszubauen, die sie benötigen, um die WTO-Abkommen umsetzen und aus ihnen Nutzen ziehen zu können und um ihren Handel im weiteren Sinne auszuweiten. Diese Initiative stellt – besonders in der Zeit nach der COVID-19-Krise – eine Schlüsselkomponente für die Handelsbeziehungen zu Afrika dar. Daher bekräftigt die EVP-Fraktion ihre Unterstützung der Maßnahmen, die im Rahmen der handelsbezogenen Hilfe unter der Leitung der WTO zwischen der EU und den afrikanischen Ländern vereinbart werden. Darüber hinaus betont die EVP-Fraktion, wie wichtig die Reform und die Modernisierung der WTO und der WTO-Regeln für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Afrikanischen Union sind, und erwartet, dass die von der EU unterstützte WTO-Generaldirektorin Dr. Ngozi Okonjo-Iweala entsprechende Ergebnisse vorstellt.

Erleichterung des Zugangs zu qualitativ hochwertiger Bildung

Wie bereits erwähnt, wird sich die afrikanische Bevölkerung bis zum Jahr 2050 verdoppeln, wobei die Mehrheit der heutigen Bürgerinnen und Bürger Afrikas unter 25 Jahre alt ist. Demzufolge ist vor allem das Potenzial junger Menschen für das Wirtschaftswachstum in Afrika eine wertvolle Ressource. Damit der Kontinent diese Ressource nutzen kann, muss er auf Bildung setzen. Denn jeder Mensch kann, wenn ihm die entsprechende Gelegenheit geboten wird, einen gewissen Einfluss auf Fortschritt, nachhaltige Entwicklung und Wachstum nehmen. Darum muss der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung nach Ansicht der EVP-Fraktion für alle, d. h. unabhängig von Geschlecht, sozioökonomischem Status, kulturellem Hintergrund oder Religion, sichergestellt werden. Bildung, einschließlich beruflicher Ausbildung, ist eine horizontale und ganzheitliche Aufgabe, die alle SDG-Bereiche betrifft und für das Erreichen der Agenda 2030, für die Ankurbelung der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika und für die Gewinnung ausländischer Investitionen unerlässlich ist. Der Zugang zu menschenwürdiger Arbeit kann nur erreicht werden, wenn die Erwerbstätigen in Afrika über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die für den sich rasch verändernden Arbeitsmarkt erforderlich sind.

Zwar hat aufgrund der COVID-19-Pandemie das Bildungswesen auf der ganzen Welt gelitten, die Bildung in Afrika wurde jedoch besonders schwer getroffen, was durch die kürzlich veröffentlichten Zahlen der UNICEF verdeutlicht wird, nach denen 40 % aller schulfähigen Kinder in Ost- und Südafrika wegen COVID-19-bedingter Schließungen nicht die Schule besuchen können. Besorgniserregend ist auch die Feststellung der Weltbank, dass die Auswirkungen, die die COVID-19-Pandemie auf die Bildung hat, noch in einigen Jahrzehnten zu spüren sein werden. Obwohl sich die von den afrikanischen Regierungen im Jahr 2020 in die Bildung getätigten Investitionen auf 5 % des BIP beliefen, was dem zweithöchsten Betrag aller Regionen entsprach, litt das Bildungswesen weiterhin. Mit besonderer Sorge wird die Lage für Mädchen und junge Frauen beobachtet, was den Zugang zu Bildung, die Teilnahme und den Abschluss anbelangt, woran sich ein deutliches Geschlechtergefälle beim Bildungsstand in Afrika erkennen lässt. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen sind nach Auffassung der EVP-Fraktion konkrete Schritte im Bildungswesen nötig; so sollten beispielsweise Bezugswerte und Indikatoren zur Verringerung der Zahl der Analphabetinnen und Analphabeten und zur Verbesserung der Bildungsqualität festgelegt und die Gleichstellung der Geschlechter im afrikanischen Bildungswesen gefördert und vorangetrieben werden. Die EVP-Fraktion erwartet von der Europäischen Kommission, dass sie einen grundlegenden Wandel in Bezug auf den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung in Afrika herbeiführt. Dazu muss sich die EU engagieren, und zwar nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch über andere Organisationen vor Ort, wie z. B. Kirchen und glaubensorientierte Bildungseinrichtungen. Ferner sind erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, in die Elektrifizierung und die Digitalisierung notwendig, damit alle Kinder und Jugendlichen in Schulen integriert werden können.

Nach dem Verständnis der EVP-Fraktion stellt ein Fehlen kohärenter Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene ein Hemmnis für eine qualitativ hochwertige Bildung dar; weshalb weitere Anstrengungen erforderlich sind, um unseren Partnern fachliche Unterstützung bereitzustellen. Gleichzeitig möchten wir aber auch betonen, wie wichtig Stipendien und der akademische Austausch zwischen der Jugend in Afrika und der EU sind, was über Erasmus+ und Erasmus für junge Unternehmer ermöglicht wird und an die Ausbildung von Lehrkräften geknüpft werden kann, um die Bildungsstrukturen zu festigen. Darüber hinaus ist es wichtig, stärkere Verknüpfungen zwischen Bildung, Kompetenzentwicklung und Beschäftigung herzustellen, um eine vollständige Integration der Jugend in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Aus diesem Grunde unterstützt die EVP-Fraktion die berufliche Ausbildung in Afrika und setzt sich für ihren weiteren Ausbau ein. Damit diese Bemühungen im Bereich der Bildung und beruflichen Ausbildung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten abgestimmt werden können, möchten wir Investitionen europäischer Unternehmen weiter vorantreiben und so die erforderliche Beschäftigungsnachfrage generieren. Zur besseren Eingliederung von Absolventinnen und Absolventen in den sich rasch entwickelnden Beschäftigungsmarkt müssen bereits in der Schule digitale Kompetenzen vermittelt werden. Gleichzeitig sollten aber auch Erwachsene die Möglichkeit erhalten, neue Fähigkeiten zu erlernen. In diesem Sinne legt die EVP-Fraktion einen besonderen Schwerpunkt auf das Konzept des lebenslangen Lernens.

Abschwächung des Klimawandels und Anpassung daran und Bewältigung umweltpolitischer Herausforderungen

Obwohl Afrika am wenigsten zur globalen Erwärmung beigetragen hat, gehört der Kontinent zu den Regionen, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Naturkatastrophen haben gravierende Auswirkungen auf das Leben und die Existenzgrundlage der Menschen, auf ihr Wohnumfeld und die Ökosysteme und nicht zuletzt auf die Wirtschaft. Darüber hinaus wird sich der Klimawandel in seinem Ausmaß auf den Frieden und die Sicherheit sowie auf die Migration auswirken.

Nach Ansicht der EVP-Fraktion ist es neben der Verpflichtung, die wir mit dem Übereinkommen von Paris und anderen internationalen Verträgen eingegangen sind, auch unsere moralische Pflicht, afrikanische Länder dabei zu unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen, geeignete Krisenmaßnahmen einzuleiten und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dazu sollten verschiedene Ansätze verfolgt werden, wie z. B.: Unterstützung naturnaher und lokaler Lösungen wie der Initiativen rund um das Projekt „Great Green Wall“, Schutz systemischer Wälder und der Biodiversität (wie bei der Kongobeckeninitiative), Übergang zur Herstellung entwaldungsfreier Produkte und Einführung der klimaresilienten Landwirtschaft.

Der Zugang zu Energie und der künftige Energiebedarf sind zwei zentrale Themen, die von der EU und Afrika gemeinsam angegangen werden sollten. Technologische Zusammenarbeit, erneuerbare Energien und der Export von sauberer Energie in Form von Wasserstoff sind Bereiche, die großes Potenzial in sich tragen. Häufig ist eine fachliche Beratung im Hinblick auf die Gesetzgebung zum Energiemarkt nötig, die im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika bereitgestellt werden sollte, sowie hinsichtlich der Entwicklung gemeinsamer Standards. Die EVP-Fraktion weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nachhaltigen Energie einer der wichtigsten Punkte bei der „Global-Gateway-Initiative“ in Bezug auf Afrika sein sollte.

Die EVP-Fraktion ist überzeugt, dass die EU weiterhin mit afrikanischen Ländern, regionalen Organisationen und der Afrikanischen Union zusammenarbeiten sollte, um Investitionen zu fördern, die klimafreundliche Infrastrukturen und Initiativen, nachhaltige Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kreislaufwirtschaft zum Gegenstand haben. Bei der Partnerschaft zwischen der EU und Afrika sollte die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Ökosysteme einen deutlichen Schwerpunkt bilden, was sich in erster Linie in der Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Förderung einer innovativen, klimaintelligenten und klimaresilienten Landwirtschaft sowie nachhaltiger globaler Wertschöpfungsketten manifestieren soll, während jedoch auch für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – im Einklang mit den zentralen Werten der EVP-Fraktion gesorgt wird.

Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass Wasser infolge des Klimawandels zu einer knappen Ressource wird, weshalb die EVP-Fraktion darum ersucht, der Wasserdiplomatie eine größere Bedeutung beizumessen. Die EU und Afrika sollten gemeinsam nachhaltige Lösungen für die Bewirtschaftung von Wasserressourcen entwickeln, wie z. B. Speicherbecken und Möglichkeiten der Abwasseraufbereitung. Es muss generell eine wirksamere Klimadiplomatie entwickelt werden, um die Verbindungen zwischen der Klimapolitik im In- und Ausland sowie auf internationaler Ebene zu fördern; in diesem Kontext wiederholen wir unsere Forderung nach der Berufung eines EU-Klimabeauftragten auf Kabinettsebene. Schließlich muss Umwelt- und Klimaschutz in Afrika im Rahmen der gemeinsam und international vereinbarten Ziele unter Einsatz geeigneter Instrumente wie dem Emissionshandelssystem stattfinden.

Stärkung der Gesundheitssysteme, Förderung der Pandemievorsorge und Einsatz für eine Impfstoffherstellung vor Ort

In Bezug auf die weltweite COVID-19-Pandemie ist kein Ende abzusehen, weshalb weitere Bemühungen zur Steigerung der Durchimpfungsraten und zur Abfederung der Folgen der Pandemie notwendig sind. Dank der Anstrengungen der EU im Kampf gegen das Virus konnten zwar inzwischen konkrete Ergebnisse erzielt werden, dieser Kampf endet jedoch nicht an unseren Grenzen. Als Kontinent, der aus vielen Schwellen- und Entwicklungsländern besteht, wird Afrika künftig eine entscheidende Rolle im weltweiten Kampf gegen Pandemien und Herausforderungen für das Gesundheitswesen spielen. Als Team Europa hat die EU während der COVID-19-Pandemie eine außerordentliche internationale Solidarität bewiesen, indem sie bis Ende 2021 weltweit 300 Millionen Impfdosen zur Verfügung gestellt hat. Die EVP-Fraktion begrüßt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten 8 Mrd. EUR bereitgestellt haben, um Afrika bei der Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu unterstützen, eine Initiative ins Leben gerufen haben, mit der die Erholung Afrikas unterstützt werden soll, d. h. durch Bereitstellung von Sach- und Finanzkenntnissen mit besonderem Schwerpunkt auf jungen Unternehmerinnen und Unternehmern sowie kleinen Unternehmen, und sich nachdrücklich zu einer Zusammenarbeit verpflichtet haben, um die Produktion lebenswichtiger medizinischer Güter in Afrika, die lokale Herstellung von Impfstoffen und die Stärkung resilienter Gesundheitssysteme zu fördern. Dennoch sind wir der Auffassung, dass mehr Anstrengungen erforderlich sind, um den einfachen und erschwinglichen Zugang zu Impfstoffen und zur Gesundheitsversorgung in Afrika zu erleichtern. Dazu zählen beispielsweise die aktive Unterstützung eines Umfelds, in dem die Errichtung von Fertigungsanlagen für die Impfstoffherstellung vor Ort und die Verstärkung der Einsatzbereitschaft ermöglicht werden, ferner die Ausbildung von einheimischen medizinischen Fachkräften, die Erhöhung der Reaktionskapazitäten und der Zugang zu medizinischen Geräten und Hilfsgütern für Länder mit labilen Gesundheitssystemen. Darüber hinaus sollten unserer Ansicht nach Kirchen und Religionsgemeinschaften unterstützt werden, da sie für die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften während der Pandemie eine zentrale Rolle einnehmen können. Um die weltweite Pandemie bezwingen zu können, müssen wir sicherstellen, dass unsere afrikanischen Partner die notwendigen Kapazitäten für den Kampf gegen das Virus aufbauen.

Lenkung der Landwirtschaft in eine neue Richtung, um für Ernährungssicherheit zu sorgen

Nach Auffassung der EVP-Fraktion sollte ein gemeinsames Ziel der EU und Afrikas darin bestehen, einen Wandel der Art und Weise herbeizuführen, wie wir Erzeugnisse produzieren, vertreiben und konsumieren. Dies wird besonders im Falle der Nahrungsmittel deutlich. Von dem SDG-2-Ziel, d. h. den Hunger bis zum Jahr 2030 zu beenden, sind wir noch weit entfernt, seit 2014 nimmt der Hunger sogar kontinuierlich zu. Darüber hinaus geben die Zahlen zur Unterernährung Anlass zu ernster Sorge. In beiden Bereichen hat sich die Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie sogar noch weiter verschärft. Jeder fünfte Bewohner Afrikas ist unterernährt. Aufgrund des Bevölkerungswachstums wird die Brisanz der Lage noch weiter zunehmen; laut mehreren Vorhersagen wird sich die Bevölkerung in Afrika bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen – d. h. 20 % der Weltbevölkerung – verdoppeln. Die EVP-Fraktion hält es für unabdingbar, dass die EU und Afrika diese Herausforderung geschlossen angehen. Gemeinsam mit den afrikanischen Partnern muss die EU Ernährung zu einem Kernthema der Zusammenarbeit machen, wie etwa mit gezielten Investitionen in eine nachhaltige Agrarrevolution, durch die afrikanischen Bäuerinnen und Bauern die Mittel in die Hand gegeben werden, um die Resistenz der Landwirtschaft gegenüber klimabedingten Herausforderungen zu erhöhen, bei gleichzeitiger Verbesserung der Produktivität und Steigerung des Einkommens von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die das Rückgrat der afrikanischen Landwirtschaft bilden. In diesem Zusammenhang möchten wir zudem das große Potenzial hervorheben, das öffentlich-private Partnerschaften und die Mikrofinanzierung für die weitere Stärkung lokaler Landwirte bergen. Eine weitere Herausforderung im Zusammenhang mit der Ernährungsunsicherheit besteht darin, dass geeignete Verkehrsnetze fehlen. Aufgrund dessen ist es Bäuerinnen und Bauern häufig nicht möglich, ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse in weiterer Entfernung anzubieten. Deshalb bestärkt die EVP-Fraktion die EU darin, sich weiter für eine Erleichterung des Marktzugangs für Bäuerinnen und Bauern einzusetzen. Grundlage für europäische Im- und Exporte, auch im Bereich Nahrungsmittel und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse, bildet ein Handel, bei dem gerechte Bedingungen herrschen. Gleichzeitig müssen wir aber auch sicherstellen, dass Agrarexporte nicht dem Ziel entgegenstehen, einen widerstandsfähigeren Nahrungsmittelsektor in Afrika zu schaffen.

Darüber hinaus kann die EU durch finanzielle und fachliche Unterstützung, durch politischen Dialog, Wissensaustausch und neue Technologien sowie durch die Förderung afrikanischer Innovationen einen Beitrag dazu leisten, dass Afrikas gegenwärtige Abhängigkeit von Einfuhren von Lebensmitteln, Saatgut, Düngemitteln und Pestiziden deutlich gesenkt wird. Beispielsweise sollten die Anstrengungen vorrangig dem Zugang zu Wasser gelten – der Grundlage für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Insbesondere befürworten wir den Bau von Bewässerungsanlagen und die Einrichtung von Saatgutbanken, die der Erhaltung der genetischen Vielfalt dienen. Diese entscheidenden Maßnahmen sind von ausschlaggebender Bedeutung für die Weiterentwicklung des afrikanischen Agrarsektors, der für eine Vielzahl der Arbeitsplätze auf dem Kontinent verantwortlich ist und Menschen in lokalen Gemeinschaften, insbesondere Frauen, wertvolle Perspektiven bietet. Daher fordert die EVP-Fraktion  unter Einbeziehung der nötigen Kenntnisse und Technologien Europa und Afrika auf, den politischen Willen aufzubringen, um den Hunger auf dem afrikanischen Kontinent zu beenden.

Sicherstellung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und der Effizienz der Hilfe

Die EVP-Fraktion ist überzeugt, dass die EU mit dem Richtungswechsel hinsichtlich des Vorgehens für Afrika die richtige Entscheidung getroffen und sich zunächst einmal von der Geber-Mentalität abgekehrt und sich um eine Partnerschaft auf Augenhöhe bemüht hat, bei der beide Seiten eigene Interessen verfolgen, aber auch Kooperationsbereiche ermitteln, in denen sie zusammenarbeiten können. Diese Ermittlung der Kooperationsbereiche ist in der Entwicklungszusammenarbeit von besonderer Bedeutung, damit die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und die Effizienz der Hilfe sichergestellt werden können. Leider ist die Entwicklungszusammenarbeit der EU mit Afrika weder ausreichend auf die eigenen Bemühungen der Partnerländer oder die Belange vor Ort abgestimmt noch hinreichend mit den Anstrengungen anderer Partner koordiniert. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass es sinnvoller ist, die Entwicklungszusammenarbeit über die Institutionen und Systeme der EU-Partner sowie über die Akteure vor Ort und die Zivilgesellschaft, also beispielsweise zivilgesellschaftliche und regierungsunabhängige Organisationen, Kirchen und glaubensorientierte Einrichtungen, ablaufen zu lassen, wodurch die demokratische Eigenverantwortung der Länder sichergestellt wird und dafür gesorgt wird, dass alle Interessengruppen einbezogen werden. Daher unterstützen wir nachdrücklich den Ansatz „Team Europa“, mit dem das generell erstrebenswerte Ziel verfolgt wird, Ressourcen unterschiedlicher Quellen zu bündeln: aus der EU, den EU-Mitgliedstaaten und von Finanzinstituten. Dieser Ansatz sollte die generelle Norm werden. Mithilfe eines flexiblen Ansatzes für die Entwicklungszusammenarbeit, bei dem für innovative Instrumente und Methoden der Entwicklungszusammenarbeit Platz geschaffen wird, können mehr und bessere Ergebnisse auf dem Gebiet erzielt werden. Andererseits müssen afrikanische Regierungen ihrer Verantwortung gerecht werden und ein Umfeld schaffen, in dem Entwicklungszusammenarbeit einen spürbaren Einfluss haben kann.

Um den Wiederaufbau nach der Überwindung der COVID-19-Pandemie in Angriff zu nehmen und sich den zu dem Zeitpunkt größten Herausforderungen in Afrika zu stellen, sollte die EU ihre umfangreiche Palette an Instrumenten und Modalitäten der Entwicklungshilfe in koordinierter Weise nutzen, um eine Aufgabenteilung zu ermöglichen und eine Fragmentierung der Hilfe zu vermeiden, und Prioritäten in den Bereichen ermitteln, in denen sie effektiv die größte Wirkung in Bezug auf den Mehrwert erzielen kann. Ferner sollte die EU mögliche neue Wege für eine bessere Wirksamkeit der Hilfe in Erwägung ziehen; so wäre es denkbar, die Entwicklungshilfe von der Zusammenarbeit mit der EU in verschiedenen Bereichen abhängig zu machen, etwa zu den Themen Menschenrechte, Demokratie, verantwortungsvolle Staatsführung, Bekämpfung des Menschenhandels, illegaler Waffenhandel und Migrationsmanagement, oder auch die gemeinsame Programmplanung der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken. Wir von der EVP-Fraktion sprechen uns für eine regelmäßige Überprüfung aus, die zusammen mit unseren Partnerländern zu gemeinsam vereinbarten Entwicklungszielen vorgenommen wird und in deren Rahmen Defizite angesprochen werden können; ferner befürworten wir eine Beendigung der Zusammenarbeit für den Fall, dass vereinbarte Ziele über einen längeren Zeitraum nicht eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang weist die EVP-Fraktion darauf hin, dass die Achtung der genannten Werte – Menschenrechte, Demokratie und verantwortungsvolle Staatsführung – für beide Seiten vorteilhaft ist. Darüber hinaus sollte die EU im Rahmen der EU-Afrika-Agenda auf die Sachkenntnisse kleinerer Akteure in der EU und in Afrika, wie z. B. zivilgesellschaftlicher und regierungsunabhängiger Organisationen und KMU, zugreifen. Eine Diversifizierung der Partnerschaften zwischen etablierten, einschlägigen Akteuren und qualifizierten Neueinsteigern mit wertvollen Nischenkenntnissen würde die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und die Eigenverantwortung der EU-Mitgliedstaaten und afrikanischen Länder für die Agenda positiv beeinflussen.

Förderung des Aufbaus von Institutionen und einer verantwortungsvollen Verwaltung

Eine schwache Staatsführung, fragile staatliche Strukturen, ein fehlender Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und schwerwiegende Defizite bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – insbesondere Korruption – stellen in einigen afrikanischen Ländern akute Probleme dar, die eine nachhaltige Entwicklung erschweren. Diese Defizite wirken sich auf die Verknappung und Ineffizienz grundlegender öffentlicher Dienstleistungen u. a. im Bildungs- und Gesundheitswesen, in der öffentlichen Verwaltung und in den Bereichen Justiz und Sicherheit aus. Daher muss die EU ihren Beitrag dazu leisten, dass Institutionen und die Staatsführung gestärkt werden, die Korruption bekämpft wird und illegale Finanzströme in afrikanischen Ländern unterbunden werden. Mit der Förderung des Verwaltungsaufbaus werden die Bürgerinnen und Bürger Afrikas Zugang zu besseren öffentlichen Dienstleistungen erhalten.

Die EVP-Fraktion vertritt die Auffassung, dass es nicht darum geht, unsere oder neue Formen der Verwaltung aufzuerlegen, sondern darum, zum einwandfreien Funktionieren der bereits bestehenden öffentlichen Verwaltung beizutragen. Wichtig dabei ist, dass dafür gesorgt wird, dass staatliche Strukturen im gesamten Gebiet der afrikanischen Staaten und in erster Linie in den Regionen in äußerster Randlage aufgebaut werden, wo sich die Menschen möglicherweise am verlassensten fühlen. Der Verwaltungsaufbau und der daraus folgende Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu öffentlichen Dienstleistungen werden nicht nur zu mehr Achtung der Menschenrechte beitragen, auch das Vertrauen der Menschen in den Staat wird so gestärkt. Dieses Vertrauen ist für die Erhöhung der Staatseinnahmen unerlässlich.

Begünstigung von anhaltendem Frieden und dauerhafter Sicherheit

Für unsere beiden Kontinente ist es von grundlegender Bedeutung, dass in Afrika anhaltender Frieden und dauerhafte Sicherheit nicht nur erreicht, sondern auch beibehalten werden. Frieden und Sicherheit sind nicht nur für eine langfristig nachhaltige Entwicklung in Afrika unerlässlich, wodurch Handel, Investitionen und die Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze innerhalb des afrikanischen Kontinents über verschiedene Regionen hinweg ermöglicht werden, was wiederum zu einer höheren Ernährungssicherheit und zu mehr Bildungsmöglichkeiten führt, sondern auch für eine stabilere Sicherheit in Europa und für die Verhinderung von irregulärer Migration. Die EVP-Fraktion hat mehrere Hindernisse für den Frieden und die Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent erkannt: insbesondere die Situation in der Region der Großen Seen in Afrika, der anhaltende Konflikt in Tigray, Äthiopien, und die Auseinandersetzungen in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks.

Die Sahelzone, die sich von Mauretanien bis in den Sudan erstreckt und von 150 Millionen Menschen bewohnt wird, ist in Bezug auf Frieden und Sicherheit eine bedeutsame Region, der aus strategischer und sicherheitspolitischer Sicht eine tragende Rolle zukommt; aber auch im Hinblick auf die EU-Grenzverwaltung wird ihr besondere Bedeutung beigemessen, denn sie ist schließlich eine große Transitzone an den Außengrenzen der EU. Die Zunahme der staatlichen Fragilität, die in dieser Region mit den Staatsstreichen in Mali, im Sudan und in Burkina Faso veranschaulicht wurde, stellt eine besondere Gefahr für die Stabilität dar. Eine weitere Bedrohung sowohl der afrikanischen als auch der europäischen Sicherheit sind die bewaffneten Gruppen, die dem sogenannten Islamischen Staat angehören, die sowohl in der Sahelzone als auch auf dem gesamten afrikanischen Kontinent immer aktiver werden und deren Ziel es ist, ein neues sogenanntes Kalifat in Gebieten zu errichten, in denen die Staatsmacht zerfällt oder gar nicht vorhanden ist, wie es derzeit im Tschadsee-Becken der Fall ist. Trotz der intensiven Bemühungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten um eine Sicherung der Stabilität verschlechtert sich die Sicherheitssituation jedoch leider immer weiter, weshalb die Region, die ohnehin von endemischer Armut, Ungleichheit sowie gesellschaftlicher und politischer Ausgrenzung gebeutelt ist, unter der zunehmend angespannten Lage nach wie vor leidet. Weitere Gebiete, die neben der Sahelzone für die EU von strategischer Bedeutung sind, sind das Horn von Afrika und der Golf von Guinea, wo die Piraterie in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. In diesem Zusammenhang möchte die EVP-Fraktion auf den EU-Sonderbeauftragten für die Sahelzone und den EU-Sonderbeauftragten für das Horn von Afrika hinweisen, die von ihr nachdrücklich unterstützt werden, was die Förderung von Frieden und Sicherheit und die Stabilität und Entwicklung in Afrika anbelangt.

Zudem stellt der islamistische Terrorismus neben der Verfolgung von Christinnen und Christen und anderen Religionsgruppen auf dem Kontinent nach Ansicht der EVP-Fraktion nach wie vor eine ernste Sicherheitsgefahr dar. Darüber hinaus sollte zur Bekämpfung der Radikalisierung, die überwiegend junge Menschen betrifft, die Staatsführung verbessert und der Zugang zur Bildung gesichert werden. Weiterhin stellen wir fest, dass der Wettbewerb um knappe Ressourcen zunimmt, was durch den Klimawandel noch verstärkt wird. Dadurch könnten sich bestehende Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen verschärfen und kriegerische Auseinandersetzungen um Ressourcen wie Land oder Wasser zunehmen, was zu einer zusätzlichen Destabilisierung der betroffenen Länder führen könnte. Darüber hinaus stellen unrechtmäßige militärische Übergangsregierungen, grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, eine unzulängliche Staatsführung, ethnische Konflikte und Menschenrechtsverletzungen eine Bedrohung für fragile Staaten und Entwicklungsländer dar, die ihren Bürgerinnen und Bürgern nur unter großen Mühen die nötige Sicherheit bieten können. Daher ist es wichtig, demokratische Strukturen in Afrika aufzubauen und zu stärken.

Wenn afrikanische Länder für ihre eigene Sicherheit sorgen können sollen, ist Unterstützung auf europäischer und internationaler Ebene unentbehrlich. Im Rahmen ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ist die EU gegenwärtig an 11 militärischen Operationen und zivilen Einsätzen in Afrika beteiligt. Für die Weiterentwicklung der Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) sind jedoch noch weitere Maßnahmen erforderlich. Zwar leistet die EU mit ihrer GSVP einen maßgeblichen Beitrag zur Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, doch die afrikanischen Länder selbst müssen auch die nötigen Voraussetzungen schaffen, um den Erfolg der gemeinsamen Anstrengungen zu sichern. Von besonderer Bedeutung, was die APSA betrifft, sind die Stärkung der Kapazitäten auf den Gebieten Konfliktverhütung, Konflikttransformation und Friedenskonsolidierung sowie die Erhöhung der Kapazitäten der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften und ihrer regionalen Mechanismen in diesen Bereichen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die anhaltenden Bemühungen der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) um den Schutz und die Verteidigung von Demokratie und Stabilität. Ferner weisen wir darauf hin, dass sich Interessengruppen uneingeschränkt in die Konfliktbeilegung einbringen müssen, wenn der Frieden von Nachhaltigkeit geprägt sein soll. In dieser Hinsicht wiederholt die EVP-Fraktion ihre Unterstützung der Resolutionen 1325 und 2250 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und der vollständigen Einbeziehung von Frauen und jungen Menschen in die Friedensprozesse auf dem afrikanischen Kontinent. Darüber hinaus nehmen Kirchen und Religionsführer insbesondere in den Bereichen Konfliktvermittlung, Friedenskonsolidierung und Versöhnung eine maßgebliche Rolle ein, indem sie in erster Linie den interreligiösen Dialog erleichtern.

Bei Reformen des Sicherheitssektors sollte ein besonderes Augenmerk auf der Korruptionsbekämpfung innerhalb der Streitkräfte liegen, doch auch die Einhaltung des humanitären Völkerrechts muss zu den Schwerpunktthemen zählen. Darüber hinaus bestärkt die EVP-Fraktion die Afrikanische Union darin, die Vereinbarkeit ihres Ausschusses für politische Angelegenheiten und Sicherheit mit den Leitlinien des VN-Sicherheitsrates zu verbessern, um so die Präsenz afrikanischer Länder im Sicherheitsrat zu erhöhen. Als EVP-Fraktion setzen wir uns weiterhin für ein starkes europäisches Engagement im Bereich der afrikanischen Sicherheit ein, das auf einer ganzheitlichen und entsprechend koordinierten Herangehensweise beruht und sich an dem Grundsatz orientiert, dass es Afrika ermöglicht werden muss, Verantwortung für seine eigene Sicherheit zu übernehmen. In diesem Sinne hält es die EVP-Fraktion für notwendig, die GSVP-Operationen und -Einsätze regelmäßig auf ihre jeweiligen Ziele und ihren Beitrag zur übergeordneten ganzheitlichen Herangehensweise der EU zu prüfen. Darüber hinaus unterstützen wir den Einsatz der Europäischen Friedensfazilität (EFF), die Ausgaben für Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen über nationale Haushalte der EU-Mitgliedstaaten deckt, um militärische friedensunterstützende Maßnahmen in afrikanischen Partnerländern und -regionen zu fördern und gleichzeitig die Achtung der Menschenrechte zu sichern. Um den Verpflichtungen in Bezug auf die Agenda 2030 nachzukommen und dafür zu sorgen, dass niemand zurückgelassen wird, ist es unerlässlich, gegen die Konflikte und die Instabilität vorzugehen. Daher sprechen wir uns für einen ganzheitlicheren Ausgleich zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedenskonsolidierung aus, der durch die Entwicklung eines umfassenden politischen Rahmens für die „dreifache Verknüpfung“ erreicht werden soll.

Ferner sind in puncto Sicherheit der Schutz und die Sicherheit einzelner Personen ebenso unerlässlich wie die Absicherung von Nationen und Kontinenten. Die EVP-Fraktion engagiert sich für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf dem afrikanischen Kontinent im Rahmen bilateraler und multilateraler Foren, wie z. B. der Leitinitiative der Europäischen Union und der Vereinten Nationen. Der Kampf gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, darunter Menschenhandel, Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen sowie Kindes-, Früh- und Zwangsehen, ist von höchster Priorität.

Auseinandersetzung mit dem geopolitischen Wettbewerb auf dem afrikanischen Kontinent

Die EVP-Fraktion stellt fest, dass der geopolitische Wettbewerb in Afrika immer weiter zunimmt und dass die Präsenz weiterer Akteure, in erster Linie China und Russland, zugenommen hat, sieht deren wirtschaftliches und militärisches Auftreten und Handeln ohne „normative Zwänge“ jedoch in vielerlei Hinsicht als entbehrlichen Beitrag zu einer langfristig nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die EVP-Fraktion hält jede einseitige wirtschaftliche, finanzielle und technische Abhängigkeit, bei der kein Fokus auf Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung erkennbar ist, als kontraproduktiven Ansatz zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen der afrikanischen Bevölkerung. Darüber hinaus nutzt China seinen Einfluss und die Abhängigkeit afrikanischer Staaten aus, um seine eigene politische Agenda voranzubringen: Es sichert sich die afrikanische Unterstützung der eigenen Politik gegenüber seinen Nachbarn auf der Ebene der Vereinten Nationen. Diese Entwicklung ist während der COVID-19-Pandemie sogar noch deutlicher geworden, als Länder auf eine kurzfristige Darlehensvergabe und auf medizinische Ausstattung aus China angewiesen waren, um die negativen sozioökonomischen Folgen für ihr Land abzuschwächen.

Neben China wird auch Russland immer aktiver auf dem Kontinent, insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit, was auch den Waffenhandel umfasst. Dies wurde besonders auf dem ersten Russland-Afrika-Gipfel im Oktober 2019 deutlich, in dessen Rahmen der russische Präsident Wladimir Putin militärisch-technische Kooperationsvereinbarungen mit über 30 afrikanischen Staaten unterzeichnet hat, sowie anhand der erst kürzlich unterzeichneten militärischen Kooperationsabkommen mit Nigeria und Äthiopien. Darüber hinaus verfolgt Russland mittels in Afrika eingesetzter privater Akteure, die im Verborgenen tätig sind (die sogenannte Gruppe Wagner), seine eigenen geopolitischen Ziele, ohne eine positive Agenda für den afrikanischen Kontinent zu haben. Eine militärische Kooperation afrikanischer Regierungen mit Russland lässt sich nicht mit einer gleichzeitigen Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vereinbaren, da erstere die Instabilität zu verschärfen und die europäischen Sicherheitsbemühungen in Afrika zu untergraben droht. Aus diesem Grunde halten wir es für unabdingbar, die Entwicklungen genau zu beobachten und die Zusammenarbeit der EU mit den betreffenden Ländern neu zu bewerten. Darüber hinaus erfordert eine solche Zunahme der Präsenz externer Akteure, bei der vor allem wirtschaftliche und geopolitische Interessen im Vordergrund stehen, eine Gegenstrategie der EU, um die Errungenschaften der EU in Afrika zu bewahren, die eigenen Interessen zu vertreten und die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen.

Nach Auffassung der EVP-Fraktion wäre eine solche Strategie viel besser geeignet, die Zusammenarbeit zwischen afrikanischen Zivilgesellschaften und ihren europäischen Partnern durch Darstellungen hervorzuheben, in denen die Errungenschaften und der nachhaltige Nutzen einer engen Zusammenarbeit mit europäischen Akteuren deutlich aufgezeigt werden. Basierend auf der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte, auf der Medienfreiheit und der Rechenschaftspflicht, auf einer transparenten und reaktionsfähigen Staatsführung sowie auf der Korruptionsbekämpfung, die allesamt Schlüsselelemente für die Sicherung eines stabilen und integrativen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfelds in Afrika darstellen, muss sich die EU mit Ländern abstimmen, die tatsächlich an einer blühenden und positiven Langzeitentwicklung des afrikanischen Kontinents interessiert sind. Als EU müssen wir unseren Partnerländern nachhaltige Alternativen anbieten, die beispielsweise in der Strategie „Global Gateway“ dargelegt sind und darauf abzielen, Investitionen in die Infrastruktur voranzutreiben und die Auslandsabhängigkeit zu verringern. Darüber hinaus muss die EU ihr politisches Profil stärken und ihre Präsenz vor Ort erhöhen.

Beseitigung der Grundursachen der Migration

Migration aus Afrika stellt für Europa eine Herausforderung und eine Chance dar. Grundtendenzen in der wirtschaftlichen Entwicklung, der demografische Wandel, die Globalisierung, Verkehr und Kommunikation und die politische Instabilität sind Ursachen dafür, dass Afrikanerinnen und Afrikaner auch weiterhin versuchen werden, um jeden Preis in die EU zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen und ein besseres Leben zu führen (auch „wirtschaftliche Migration“ genannt) oder zu ihren Familien zu stoßen. Der Großteil der afrikanischen Migration findet jedoch innerhalb des Kontinents statt. Um von vornherein zu verhindern, dass Afrikanerinnen und Afrikaner gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, hält es die EVP-Fraktion für unerlässlich, dass die EU und Afrika gemeinsam die Grundursachen der Migration beseitigen. Wenn die eingangs erwähnten Herausforderungen – Handel, Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen; Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung; Anpassung an den Klimawandel und ökologische Herausforderungen; Stärkung der Gesundheitssysteme; Lenkung der Landwirtschaft in eine neue Richtung; Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und Effizienz der Hilfe; Aufbau von Institutionen und verantwortungsvolle Verwaltung; Frieden und Sicherheit; geopolitischer Wettbewerb auf dem afrikanischen Kontinent – richtig angegangen werden, wird es möglich sein, die afrikanische Migration nach Europa maßgeblich einzudämmen. Beide Kontinente sollten ihre Zusammenarbeit ausweiten und sich dabei auf die Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts sowie auf die Grundsätze der Kooperation, der Solidarität und der geteilten Verantwortung stützen. Was konkrete Maßnahmen anbelangt, sollte die EU also mit afrikanischen Behörden eng zusammenarbeiten, um die wahren Ursachen der Migration zu beseitigen, eine wirksame Politik im Bereich der legalen Einwanderung zu betreiben, bei der Ausgestaltung der EU-Entwicklungszusammenarbeit die Zuwanderungspolitik zu berücksichtigen, die Zusammenarbeit beim Grenzschutz zu verbessern, Schleusern und Schleppern, die in der illegalen Migration verwickelt sind, das Handwerk zu legen und Rückführungs- und Rückübernahmeabkommen, womöglich auch formlose Vereinbarungen, zwischen der EU und Afrika zu schließen.

Umsetzen strategischer Prioritäten und Erzielen greifbarer Ergebnisse

Die afrikanische Sicherheit und Stabilität sind für die Europäische Union von ausschlaggebender Bedeutung. Wir brauchen eine neue Herangehensweise an die Weiterentwicklung eines demokratischen Multilateralismus, damit wir gemeinsame Herausforderungen angehen und eng mit afrikanischen Ländern zusammenarbeiten können, die wichtige Partner und Akteure auf der internationalen Bühne sind. In diesem Positionspapier haben wir zehn Bereiche ermittelt, die für die EU und für Afrika gleichermaßen Herausforderungen und Chancen darstellen, und darüber hinaus vorrangige Maßnahmen aufgezeigt, mit denen diese Chancen genutzt und die gemeinsamen Herausforderungen angegangen werden können. Um sicherzustellen, dass die EU und Afrika die vorstehend umrissenen strategischen Prioritäten umsetzen und greifbare Ergebnisse erzielen, müssen sowohl die EU als auch Afrika nach Auffassung der EVP-Fraktion bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Erstens müssen sich die EU und Afrika uneingeschränkt zu einer strategischen Partnerschaft bekennen, die den Weg zu einer wahrhaft gleichberechtigten Partnerschaft ebnen sollte, bei der sich beide Seiten immer weiter von der Geber-Empfänger-Mentalität abwenden und ihr Verhältnis auf den Leitprinzipien der Gegenseitigkeit, des beiderseitigen Nutzens, der gemeinsamen Verantwortung und der Solidarität aufbauen. Zweitens müssen die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten in ihren Beziehungen zum afrikanischen Kontinent kohärenter und vereinter vorgehen und in enger Kooperation an gemeinsamen Prioritäten arbeiten. Drittens und letztens müssen die EU und Afrika ihre Anstrengungen verstärken, um konvergierende Interessen besser zu koordinieren und gemeinsam konkrete langfristige Ziele zu ermitteln, die Zusammenarbeit zu strukturieren und auf allen staatlichen Ebenen häufiger in den Dialog zu treten, d. h. auch die parlamentarische Dimension der Zusammenarbeit zu vertiefen. Die EVP-Fraktion ist überzeugt, dass die EU und Afrika durch eine Kombination aus dieser Herangehensweise und den vorstehend umrissenen strategischen Prioritäten den Wiederaufbau nach der Überwindung der COVID-19-Pandemie erfolgreich in Angriff nehmen und greifbare Ergebnisse erzielen können, von denen beide Kontinente sowie deren Bürgerinnen und Bürgerprofitieren können.