Zusammen „alles tun, was notwendig ist“: eine gemeinsame europäische Impfstrategie

09.02.2021 20:43

Zusammen „alles tun, was notwendig ist“: eine gemeinsame europäische Impfstrategie

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Für die EVP-Fraktion besteht die dringendste Aufgabe derzeit darin, für die bestmögliche Versorgung mit Impfstoffen und ihre möglichst rasche und effiziente Verteilung an alle europäischen Bürger unter Einhaltung der höchsten Sicherheitsstandards gemäß der Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur zu sorgen. Der europäische Ansatz muss hierbei lauten: „Alles tun, was notwendig ist“. Die aktuelle Lage in Europa mit Blick auf COVID-19-macht eines deutlich: Wir müssen schneller handeln und in größeren Maßstäben denken. Ein europaweites Vorgehen ist richtig, da kein Mitgliedstaat die COVID-19-Pandemie alleine überwinden kann. Europa muss jedoch noch ambitionierter werden, und die Mitgliedstaaten müssen ihre volle Unterstützung leisten.

Die EVP-Fraktion schlägt den folgenden 10-Punkte-Plan vor:

  1. Es sollte eine Investitionsoffensive für Impfungen in Höhe von 10 Mrd. EUR auf den Weg gebracht werden, um zusätzliche Kapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen zu ermitteln und zu schaffen. Wir brauchen ein europäisches Bündnis für Arzneimittel. Soweit dies möglich und sinnvoll ist, müssen alle Produktionsstätten auf die Herstellung von COVID-19-Impfstoffen umstellen. Wir wollen alle Mittel mobilisieren, auch diejenigen, die für die zivile Sicherheit und die Gesundheitsforschung zur Verfügung stehen, um unmittelbar zur Verbesserung der europäischen Produktions- und Vertriebskapazitäten beizutragen. Die Bekämpfung der Pandemie sollte mit der europäischen Sicherheitsarchitektur verknüpft und integraler Bestandteil derselben sein. Darüber hinaus müssen wir Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern – allen voran den USA – prüfen, um es ihnen im Wege eines koordinierten Technologietransfers und unter Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums zu ermöglichen, die Produktion von Impfstoffen und Schutzausrüstung zu steigern. Das Leitprinzip sollte an dieser Stelle das Gemeinwohl und nicht die Unternehmensinteressen sein. Wir unterstützen die Kommission darin, Druck auf AstraZeneca auszuüben, damit das Unternehmen sich an den unterzeichneten Vertrag hält und die Produktion weiter steigert. Wir fordern die Kommission auf, Optionen für die Einrichtung eines ständigen, von der Industrie finanzierten und von der EU unterstützten Fonds für die gemeinsame Forschung und die risikobehaftete Produktion von Produkten, deren Zulassung noch aussteht, zu prüfen und begrüßen den Plan der Kommission zur Einrichtung von HERA.
  2. Es muss eine Task Force für die Impfstoffherstellung, einschließlich eines Koordinators für die Lieferkette, eingesetzt werden, die die Entscheidungen der Europäischen Kommission umsetzt, damit die kontinuierliche Beobachtung und Überwachung der bestehenden Produktionskapazitäten gewährleistet wird und Möglichkeiten gefunden werden, ihre Produktion weiter zu steigern und den künftigen Bedarf zu überwachen. Die EU muss täglich über den aktuellen Stand und die Fortschritte bei der Impfstoffherstellung auf dem europäischen Kontinent informiert sein. Zu diesem Zweck unterstützen wir die Einrichtung dieser neuen Task Force, mit der das Ziel verfolgt wird, die industrielle Herstellung von Impfstoffen zu steigern, Engpässe zu beseitigen, an der Herstellung von Impfstoffen für Virusvarianten zu arbeiten und die Struktur für eine schnellere Reaktion auf biologische Gefahren auf EU-Ebene zu schaffen, insbesondere durch die Einrichtung spezieller europäischer Produktionsanlagen. Die Taskforce sollte unter Aufsicht der Kommission eng mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur und den zuständigen nationalen Behörden zusammenarbeiten.
  3. Wir sollten die Versorgung Europas mit sicheren und wirksamen Impfstoffen ausbauen: Die Europäische Kommission sollte den Kaufvertrag mit Novavax dringend abschließen. Alle Impfstoffe müssen von der EMA zugelassen werden. Die vorhandenen Impfstoffe sollten effizienter eingesetzt werden. So soll BioNTech/Pfizer beispielsweise gemeinsam mit der EMA und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit prüfen, die Entnahme einer 7. Dosis je Ampulle zuzulassen, wenn die Gegebenheiten dies zulassen. Darüber hinaus muss die EMA beim Moderna-Impfstoff die Möglichkeit einer zusätzlichen 11. Dosis prüfen.
  4. Der Datenaustausch in Europa muss intensiviert werden: Die Mitgliedstaaten müssen ihre Bereitschaft zum Austausch kritischer Daten zu Themen wie neuen Stämmen, Varianten und Mutationen unter Wahrung und Achtung personenbezogener Daten und Patientendaten verstärken. Die Europäische Kommission sollte im Einklang mit den Datenschutzvorschriften eine digitale Plattform für den Austausch dieser kritischen Daten einrichten.
  5. Es bedarf einer transparenteren, kooperativeren und stabileren Zusammenarbeit mit der Industrie. Wir unterstützen den Vorschlag der Kommission für einen Mechanismus zur Überwachung von Ausfuhren und schließen ein Ausfuhrverbot nicht aus. Wir müssen wissen, was in Europa produziert wird und was in unseren Kontinent eingeführt und aus ihm ausgeführt wird. Alle Impfstoffverträge mit privaten Unternehmen müssen offengelegt werden. Wenn das Verhalten von Unternehmen Fragen aufwirft, müssen diese rasch beantwortet werden. Arbeitet ein Unternehmen nicht mit der EU zusammen oder legt es bösgläubiges Verhalten an den Tag, muss die EU die Möglichkeit haben, ihre Vorabinvestitionen in dieses Unternehmen oder seine Produkte ganz oder teilweise zurückzufordern. Dasselbe muss auch für Drittländer gelten: Warum beschränkt Boris Johnson die Ausfuhr von Impfstoffen in die EU, während wir weiterhin in das Vereinigte Königreich liefern? Mehr Transparenz ist vonnöten.
  6. Die großen westlichen Industriestaaten müssen sich endlich auf eine gemeinsame COVID-19-Strategie einigen. Europa muss gemeinsam mit den Vereinigten Staaten die Führung übernehmen, um die COVID-19-Pandemie weltweit zu bekämpfen. Das Vereinigte Königreich, das derzeit den Vorsitz der G7 innehat, sollte unverzüglich einen G7-Impfgipfel anberaumen. Der Impfstoff-Egoismus muss ein Ende nehmen.
  7. Wir müssen die EU auch an ihren Außengrenzen vor neuen aggressiven COVID-19-Mutationen schützen: Die Mitgliedstaaten müssen strenge einheitliche Vorschriften für die Einreise von Reisenden aus Hochrisikogebieten außerhalb der EU, insbesondere von Fluggästen, durchsetzen und ein gemeinsames Reiseformular (Passenger Locator Form – PLF) sowie einheitliche Quarantänevorschriften einführen.
  8. Wir fordern, dass sich der Europäische Rat im Februar darauf konzentriert, eine Strategie für die Bereitstellung der Impfstoffe zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass alle Mitgliedstaaten möglichst rasch bereit sind, die Strategie umzusetzen. Jeder Mitgliedstaat sollte mit der erforderlichen medizinischen Ausrüstung und den Kapazitäten in den Bereichen Logistik und Kommunikation ausgestattet werden, damit gewährleistet ist, dass die gesamten erzeugten Impfstoffe innerhalb sehr kurzer Zeit an Ort und Stelle geliefert und eingesetzt werden. Erforderlichenfalls sollten grenzübergreifende Hilfe zwischen den Mitgliedstaaten sowie alle verfügbaren EU-Strukturen und -Mittel wie rescEU oder das Europäische Solidaritätskorps mobilisiert werden.
  9. Entwicklung eines Frühwarnsystems und eines Anpassungsplans für COVID-19-Mutationen. Wir begrüßen die Bemühungen der Europäischen Kommission und weisen nachdrücklich darauf hin, dass die Vorbereitung auf COVID-19-Mutationen eine oberste Priorität für Europa darstellt. Wir brauchen die erforderlichen Produktionskapazitäten und Lieferketten, damit Impfstoffe so schnell wie möglich an neue mutierte Stämme angepasst werden können.
  10. Die Europäische Union muss sicherstellen, dass die Europäer nicht durch neue Varianten bedroht werden, die in ihrer Nachbarschaft auftreten. Europa braucht eine Impfstrategie und ganz generell eine epidemiologische Nachbarschaftsstrategie, beispielsweise mit Blick auf den westlichen Balkan und den Mittelmeerraum. Darüber hinaus muss sich die Europäische Union eng mit der WHO und der Afrikanischen Union abstimmen, um die Impfstoffproduktion für den afrikanischen Kontinent und ärmere Länder aufzubauen und auszuweiten, damit das Virus weltweit bekämpft wird und verhindert wird, dass sich in unserer Nachbarschaft Varianten entwickeln, die gegen Impfstoffe resistent sind. Diese Unterstützung könnte eine umfassende Zusammenarbeit und einen Technologietransfer – unter Wahrung jeglicher Rechte des geistigen Eigentums – umfassen.

Redaktionshinweis

Mit 187 Mitgliedern aus allen EU-Mitgliedstaaten ist die EVP-Fraktion die größte Fraktion im Europäischen Parlament.

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